Votum im Stadtrat Bern zur Debatte aus aktuellem Anlass
Liebe Anwesende
Zuallererst, die Gewalt und die Gewaltbereitschaft einzelner Demonstrierender ist zutiefst zu verurteilen. Bewusst Menschenleben in Gefahr zu bringen ist nie gerechtfertigt. Aber auch die staatliche Gewalt ist zu verurteilen. Ich sehe die Aufgabe des Stadtrates hierin: Unsere Aufgabe ist es, den staatlichen Rahmen und das Behördenhandeln zu prüfen. Wir müssen fragen, ob die Stadt ausreichend vorbereitet war und ob die Rahmenbedingungen solche Eskalationen begünstigen oder verhindern. Das ist für staatliche Institutionen aber besonders schwierig, weil sie sich dadurch gewissermassen entblössen müssten.
Denn wie Walter Benjamin vor über 100 Jahren in Zur Kritik der Gewalt schrieb, ist die Polizei nicht nur eine rechtserhaltende, sondern in weiten Grenzen auch eine rechtsetzende Gewalt, denn sie entscheidet, was als Gefahr gilt und wie darauf zu reagieren ist und kann so das Recht «in weiten Grenzen selbst setzen».
Im Moment der Entscheidung, was eine Gefahr ist und mit welcher Härte eingegriffen wird, bewegt sich die Polizei an der Schwelle zwischen Recht und Unrecht und riskiert, zur Aufrechterhaltung der Ordnung das Recht paradoxerweise zu brechen. Genau so hat sie es auch am vergangenen Samstag getan. Und was der Gemeinderat bis anhin geleistet hat, ist es, die polizeiliche Gewaltausübung zu decken und die rechtssetzende Macht der Polizei nachträglich zu legitimieren. Hier müssen wir ansetzen – denn das ist es, worüber wir als Parlamentarier*innen diskutieren sollten: