(ABSTIMMUNGSBOTSCHAFT)
Intervention der PdA Bern an der Sitzung des Stadtrats vom 24.6.2010
Kultur ist, was gefällt! Das bekommen wir immer wieder zu hören, wenn es hier im Rat um die Leistungsaufträge mit kulturellen Institutionen geht. Was bei den Leuten nicht ankomme, das solle nicht noch künstlich am Leben erhalten werden. Wir kennen den Autor solcher Aussagen. Wir kennen seine Konsequenz, wenn es darum geht, Zugewanderte, Frauen, Unangepasste, Armutsbetroffene, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Kulturschaffende – wenn es darum geht, alle diese Mitbürgerinnen und Mitbürger mit einem Vokabular einzudecken, das nicht etwa aus dem vorletzten Jahrhundert stammt, sondern aus dem letzten. Oder aus Brehms Tierleben.
Der Autor solcher Vorstellungen und Phantasien ist auch der Autor der neusten Initiative gegen das Kulturzentrum Reitschule. Der Zuschnitt der Initiative ist von bewundernswerten Klarheit, der Einsatz des Autors tadellos. Und doch: Da muss etwas schief gelaufen sein! Da geht es irgendwie und irgendwo nicht mehr gut auf – für den Initianten! Was wird denn da nun genau aufs Korn genommen? Subventionskultur? Kultur zu erlesenen Preisen aus der Stadtkasse für ein erlesenes Publikum? Fehlanzeige! Wo lebt denn in diesem Land Kultur so frisch, so wenig exklusiv, so vielfältig, so unübersichtlich, so überraschend, so selbstbewusst, ja: so erfolgreich? Wo, wenn nicht an der Schützenmatte? Da wurde vom Autor der Initiative mit tödlicher Munition gezielt – und verrissen: Die Initiative wird im Sondermüll des Scheibenstands landen, ihr Autor leider im Grossen Rat.
Lassen wir uns ja nicht täuschen, wenn aus den Reihen der Initianten jeder negative Vorfall zwischen Heiliggeistkirche und Eisenbahnbrücke gierig aufgegriffen und mit der Reitschule in einen ursächlichen Zusammenhang gerückt wird. Was diese Leute wirklich stört, sind nicht diese Vorkommnisse, sondern: das Funktionieren einer Alternative zur durchkommerzialisierten Freizeit, zur Kultur als Unterhaltungs- und Verblödungsindustrie. Und was nicht sein kann, darf nicht sein. Weg damit – an den Meistbietenden! Die Logik ist einfach. Diese Logik kennen wir aus diesen Kreisen. Eine andere Logik kennen sie schliesslich auch nicht: Geld statt Geist.
Hüten wir uns aber davor, noch bei der Ablehnung der Initiative den Initianten auf den Leim zu kriechen. Hüten wir uns davor, die Argumente der Initianten kurzsichtig zu kolportieren. Hüten wir uns davor, die Saat der Einschüchterung und Angstmacherei, auf der die Initiative aufbaut, noch mit zu giessen. Was soll denn jetzt das Mutmassen in der Abstimmungsbotschaft über die Marktfähigkeit der Liegenschaft im Fall einer Räumung? So spielen Sie den Initianten den Ball zu. Sie werden Ihnen noch so dankbar sein und freudig draufdreschen. Solche simplen und klaren Initiativen gewinnt man nicht mit Schlaumeiereien.
Solche Initiativen verlangen simple und klare Antworten: Die PdA Bern sagt ganz einfach ja zur Reitschule als kulturelles und soziales Zentrum. Und die PdA Bern sagt ganz einfach nein zu jeder Privatisierung und zum Verscherbeln von Gemeindebesitz. Aber vielleicht tönt das fast schon zu pathetisch. Vielleicht nehmen wir den Initianten und seine Suppenkasper damit schon fast zu ernst. Vielleicht versalzen wir ihnen die Suppe dann am wirkungsvollsten, wenn wir sie in ihrer eigenen lächerlichen Selbstüberschätzung und Aufgeblasenheit stehen lassen. Auch diese Initiative wird untergehen – muss untergehen: in einem Gelächter.
Rolf Zbinden, PdA Bern, 24.6.2010 pdf