Fraktion FDP.Die Liberalen (Pascal Rub, FDP):
Intervention der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 26.8.2010
Mit der Kultur ist es wie mit dem öffentlichen Verkehr: Man muss wissen, was man will und was es einem wert ist. Es ist eine Frage der Wert-Setzung und der Wert-Schätzung. Mit anderen Worten: eine Frage der Politik. Es geht um die Wertschätzung für das Produkt und um die Wertschätzung für die Produzentinnen und Produzenten. Da wird auch unter schwierigen Bedingungen eine bewundernswerte Arbeit geleistet – auch wenn einige während der vergangenen Saison nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe gewesen sind: nämlich die, welche Leitungs- und Koordinationsfunktionen wahrzunehmen hätten. Mit anderen Worten: politische Aufgaben. Aber mit solchen Hypotheken kann keine Bühne und keine Officina sinnvoll arbeiten.
Da sollen also Stadttheater und Symphonieorchester zusammengeführt werden – und was haben wir immer wieder zu hören und zu sehen bekommen? Jede Menge Indiskretionen, Eigenmächtigkeiten, Einzelentscheide, Sololäufe. Und wer trägt denn nun den Schaden? Doch das Ensemble der Kultur-Schaffenden, das den ganzen Laden Abend für Abend zu schmeissen hat; und doch die Kultur-Interessierten, ohne die es auch nicht ganz geht. Die Arbeitenden in der Ausführung ihrer Arbeit, im Einsatz ihrer Kreativität einzuschränken, zu hemmen – das ist der schlimmste Vorwurf an diejenigen, deren vordringliche Aufgabe es wäre, um die volle Entfaltung der jeweiligen Domäne bemüht zu sein. Was ist denn der grösste Vorwurf, der Leitende und Koordinierende treffen kann? Dass sie die Arbeit und die Interessen und die Beschäftigten der zu koordinierenden Bereiche gegeneinander ausspielen! Und genau das ist geschehen. Und wo stehen wir denn heute?
Da gibt es eine Projektgruppe, die zu koordinieren und zu kommunizieren hätte. Da hat es einen Zwischenbericht gegeben. Und die politisch Verantwortlichen von Stadt und Kanton Bern hätten in ihrer Einschätzung widersprüchlicher nicht sein können! Den Saboteuren des Service Public kann das nur recht sein. Und uns wäre eine Debatte ohne die nötigen Unterlagen, ohne ausreichende Informationen geblieben, ohne ernsthafte Vorbereitung, mit einem Bericht in der Hand vom 5. Juni – vom 5. Juni 2009! Und das zwei Tage vor der Sonderdebatte. Wahrlich eine geniale Inszenierung frei nach John Cage: „Lecture on Nothing“. Und wir haben einzig gewusst, wer die Sache ausbaden soll und wird: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Symphonieorchester und Stadttheater – sie trifft es schon heute. Und diese Ungewissheit ist schlicht unzumutbar. Ins Fäustchen aber lachen sich wieder einmal die, welche auf diesem Trümmerhaufen jetzt ihr kulturfeindliches Sparsüppchen kochen wollen.
Und wo stehen wir denn heute? Freude herrscht doch jetzt und eitel Sonnenschein: „Mit grosser Freude“ ist berichtet worden, „dass eine Zusammenlegung von Stadttheater Bern und Berner Symphonieorchester unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen möglich ist.“ (Regierungsrat Pulver am 16.8.2010)! Vielleicht ist es im jetzigen Zeitpunkt angezeigt, nicht nur in Zwischenberichte, Referate und Medienverlautbarungen zu glotzen, sondern den Leitenden und Koordinierenden auch einmal gut aufs Maul. Und siehe da: Da kommt das Maul des Projektgruppenleiters so gewaschen daher, wie wir es alle bestens kennen – wenn das Management den Angestellten die Zukunft liest: „Über das Ausmass eines möglichen Stellenabbaus mochte sich Keller vor der Belegschaft des Stadttheaters nicht äussern. Nur so viel, dass er sozial verträglich abgewickelt werden soll.“ (Bund vom 18.6.2010) Nur so viel? Ist doch allerhand! Auf alle Fälle lässt uns das erahnen, wie es um das „Wir“ bestellt ist, von dem der Stadtpräsident spricht.
Immerhin gibt es einen Lichtblick: Die geplante finanzielle Entlastung gerade der reichsten Gemeinden – das stösst auch einigen PolitikerInnen der „Mitte“ recht sauer auf: Entlastung derer, die schon viel haben! Dürfen wir denn hoffen, dass solche Einsicht gar nachhaltig ist? Dass diese Einsicht die Debatte um die Kulturverträge 2012-2015 und die Sanierung des Stadttheaters überdauert?
Kultur und öffentlicher Verkehr kommen nicht aus ohne Unterhalt und Sanierung aus. Was vorgestern und gestern aufgeschoben worden ist, kommt morgen teuer zu stehen. Kein Geleise, keine Achse, kein Schnürboden ist für die Ewigkeit gemacht. Solche schlichten Wahrheiten gehören bei Zeiten kommuniziert. Wer aber unter dem Druck der öffentlichen Sparer und heimlichen Privatisierer den Sanierungsdruck ruhig auszusitzen versucht, der programmiert – auch gegen seinen hehren Willen – das Debakel vor. Dabei sind wir im Fall des Stadttheaters in einer fast schon luxuriösen Situation: Da braucht niemand nach einer zweiten Röhre zu schreien – die Vidmar-Hallen stehen nicht nur, sie haben sich innerhalb weniger Jahre auch schon bestens etabliert. Dass diese Erfolgsgeschichte durch das Gezänk rund um die Zusammenführung von Stadttheater und Symphonieorchester vernebelt wird, haben die Kulturschaffenden und ihr Publikum wirklich nicht verdient.
Der PdA Bern scheint es an der Zeit, dass all jene politischen und kulturellen Kräfte, denen die Vielfalt und Qualität des Kulturangebots in Bern ein echtes Anliegen ist, einiges klar stellen:
1. Das Ausspielen einzelner kultureller Sparten gegeneinander ist unverantwortlich, auch wenn das Kulturmanager nicht begriffen haben sollten.
2. Die Angestellten von Stadttheater und Symphonieorchester werden gefälligst auf eine anständige Art informiert und behandelt.
3. Die Angestellten von Stadttheater und Symphonieorchester leisten ihre Arbeit schon heute unter erschwerten Bedingungen. Eine Neuorganisation darf nicht auf ihrem Buckel durchgeführt werden.
Die PdA Bern erwartet und verlangt, dass auch unter einer neuen Leitung – unter einem neuen gemeinsamen Dach – die Rechte der aller Beschäftigten von Stadttheater und Synphonieorchester vollständig gewahrt werden: Das ist der einzige Sinn von „sozialer Verträglichkeit“, den wir vestehen, dem wir zustimmen können.
Mit der Kultur ist es wie mit dem öffentlichen Verkehr: Man muss wissen, was man will und was es einem wert ist. Es ist eine Frage der Wert-Setzung und der Wert-Schätzung. Und wir könnten eigentlich stolz darauf sein, was da möglich gemacht wird. Es ist aber auch ein heikles Ensemble – so eine Werkstatt. Das will mit Respekt behandelt werden. Wenn dieser Respekt in der Projektleitung nicht von alleine Einzug hält, wird auch sie es lernen müssen. Kulturschaffende werden wohl um ein bisschen Nachhilfeunterricht nicht verlegen sein.
Rolf Zbinden, PdA Bern, 26.8.2010 pdf