Wir sitzen nicht alle im gleichen Boot. Eine Pandemie überwinden wir nur gemeinsam. Was heisst Solidarität in einer Pandemie? Die Partei der Arbeit hat die Entwicklungen in der Schweizer Pandemie-Bekämpfung mit einem besorgten und einem kritischen Auge verfolgt. Dies ist unsere Positionierung zu den jüngsten Entwicklungen.
Wo stehen wir? / Ein Rückblick / Resümee zur Pandemiesituation
Am 16. März 2020 gingen wir hier in der Schweiz zum ersten Mal in den Lock-Down. Die Covid-19 Pandemie versetzte alle Menschen weltweit in einen Ausnahmezustand und schnell kam es zu einem lauten und wirren Gerede über die Gefahren der Krankheit und welche Massnahmen nun angebracht seien und welche nicht.
Schon damals vermissten wir eine klare, transparente und selbstkritische Kommunikation von Seiten der Schweizer Regierung. Bereits bei der Fehlkommunikation über die Wirksamkeit von Masken[1] verspielte diese viel Glaubwürdigkeit. Zudem war erschreckend, wie schlecht Kantone, Parlament und Behörden für den Fall einer Pandemie vorbereitet waren – obwohl der Bund bereits 2004 einen nationalen Pandemieplan vorgelegt hatte[2].
Seither mussten wir eine Vielzahl an widersprüchlichen und verwirrenden Massnahmen aushalten; einen Kleinkrieg zwischen Kantonen und Bundesrat über Verantwortlichkeiten mitverfolgen; zur Kenntnis nehmen, dass die Mitglieder der Covid-Taskforce[3] aus oft unklaren Gründen ständig wechselten; mitverfolgen, wie viele Menschen in Armut versanken, während ein kleiner Teil sich an der Situation übermässig bereichern konnte, und zusehen, wie das Personal im Gesundheitswesen unter dem wachsenden Druck und dem gleichzeitigen Mangel an Unterstützung immer wieder an den Rand der Verzweiflung getrieben wurde und wird.
All dies hat zusehends zu einer gesellschaftlichen Spaltung geführt, in der Schweiz und weltweit. Die Partei der Arbeit sieht besorgt zu, wie zwar berechtigte Kritik an der Pandemiebekämpfung und an der profitorientierten Wirtschaft geäussert wird – dieser Diskurs wird dabei jedoch zunehmend von politisch rechts orientierten Kräften vereinnahmt.
Verständlich ist, dass die Pandemie eine grosse Herausforderung für uns alle darstellt und sich das Wissen über das Corona-Virus laufend verändert – und aus diesem Grund ebenso die Massnahmen. Dabei müssen wir als Gesellschaft Ungewissheit ertragen. Nicht verständlich ist, weshalb so oft – national wie auch international – profitorientierte Interessen mehr Gewicht haben als gesundheitliche.
Ja, die Wirtschaft ist wichtig. Aber nicht im Sinne der Profitsteigerung, sondern im Sinne eines sorgsamen/haushälterischen Ansatzes, welcher sich primär an der Sicherung existentieller Bedürfnisse (etwa in Bezug auf Wohlstand, Bildung, Gesundheit) und der Anerkennung systemrelevanter Leistungen (wie etwa jene der Pflege, des Personals im Detailhandel, im Bildungswesen, im öffentlichen Verkehr und in der Logistik) orientiert. Aus unserer Sicht zeigt sich dieser Missstand besonders stark am Beispiel der Weigerung von Pharma-Konzernen und kapitalistischen Regierungen der Länder, wo diese Unternehmen ihren Sitz haben (Hallo, Basel/Schweiz), den Patentschutz für Impfungen aufzuheben. Damit verspielen sich diese erneut ihre Glaubwürdigkeit in Bezug auf den gesundheitlichen Nutzen der Impfung und verletzen ihre Pflicht, zum Wohle der Menschen zu handeln.
Es ist wenig überraschend, dass eine Pandemie an den Nerven aller Menschen zehrt. Umso wichtiger ist ein klares und deutliches Bekenntnis für einen solidarischen Zusammenhalt von Seiten unserer politischen und institutionellen Vertreter:innen!
Wir von der Partei der Arbeit sehen in Bezug auf die momentane Pandemiebekämpfung dringenden Handlungsbedarf. Somit lauten unsere Forderungen:
1. Gratisselbsttests und PCR-Tests für alle (geimpften und ungeimpften) Menschen in der Schweiz bis zum Ende der Pandemie / bis auf weiteres
Solange das BAG empfiehlt, dass auch doppelt Geimpfte sich bei Symptomen testen lassen sollen, muss dies kostenlos gewährleistet werden[4]. Dass eine (ungeimpfte oder noch nicht vollständig geimpfte) Person mit Symptomen bei einem negativen Testergebnis zahlen muss, um dafür ein temporäres Covid-Zertifikat zu erhalten, ist Geldmacherei und missachtet bewusst die Lage, in der sich viele Lohnabhängige seit der Zertifikatspflicht befinden.
Zudem scheint es wenig sinnvoll, das Gratis-Testen bloss vom Auftreten von Symptomen oder der Meldung, dass man mit einer positiv getesteten Person Kontakt hatte, abhängig zu machen, bei einer Krankheit, die oft auch symptomlos verläuft. Die kostenpflichtigen Tests sind sehr teuer und belasten damit insbesondere die Lohnabhängigen. Auch wird so die bisherige Strategie, eine möglichst genaue Vorstellung der Fallzahlen in der Schweiz zu haben, verunmöglicht. Damit wird die Zahl der Fälle bewusst gesenkt und die Dunkelziffer steigt. Es wird argumentiert, dass für den neuen Richtwert nicht mehr die Fallzahlen, sondern die Auslastung der Intensivstationen in den Spitälern massgebend sein sollen. Der Fokus liege darauf, schwere Verläufe zu verhindern, nicht die Ansteckung mit dem Virus an sich[5]. Diese Entscheidung scheint uns einerseits verfrüht und andererseits zu wenig breit kommuniziert worden zu sein.
Das Covid-Zertifikat ist nun zu einer Voraussetzung für den Zugang zu öffentlichen Räumen geworden, welcher auch für ungeimpfte Personen gewährleistet werden muss. Dies ist einerseits verständlich, weil das Übertragungsrisiko in Innenräumen sehr hoch ist. Andererseits wird der Zugang zu öffentlichen Räumen nun zusätzlich vom finanziellen Vermögen ungeimpfter oder teilweise geimpfter Personen abhängig gemacht.
Diese geänderte Strategie verstärkt den Eindruck, dass geimpfte Personen vollständig immun sind und das Virus nicht weiterverbreiten können. Das ist schlichtweg falsch, auch wenn das Übertragungsrisiko und die Schwere des Krankheitsverlaufs bei Geimpften deutlich geringer sind. Die Gründe, weshalb eine Person sich nicht impfen kann oder möchte, werden dabei nicht berücksichtigt und Ängsten wird mit Druck und Strafe, statt mit Offenheit und Empathie begegnet. Der Bundesrat handelt hier fahrlässig und nimmt auf diese Weise eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Kauf. Erneut wird damit eine breite, sachliche und (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit der Pandemiebekämpfung unnötig erschwert/verhindert und in die Länge getrieben.
2. Einhalten weiterer Massnahmen
Auch wir halten die Impfung für eine wichtige und zentrale Massnahme in der Bekämpfung des Virus. Wir möchten jedoch betonen, dass es nach wie vor wichtig ist, nicht nur auf eine Massnahme, wie etwa das Impfen zu setzen, sondern auf eine Kombination unterschiedlicher Massnahmen. Das Robert-Koch-Institut schreibt in seinem Steckbrief über das Coronavirus:
«Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind in allen drei Konstellationen [d.h. bei asymptomatisch, präsymptomatisch und symptomatisch Infizierten] die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen, die Identifikation und die frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen wirksam. Das Abstand halten zu anderen Personen, das Einhalten von Hygieneregeln, das Tragen von (Alltags-) Masken sowie Lüften (AHA + L-Regel) sind Maßnahmen, die insbesondere auch die Übertragung von (noch) nicht erkannten Infektionen verhindern»[6]
Es scheint uns verfrüht, von einer „Normalisierungsphase“ zu sprechen und die Regeln des Abstandhaltens, der Hygieneregeln und des Maskentragens sowie das Einhalten weiterer Massnahmen in Innenräumen aufzuheben, auch wenn es sich bei den betroffenen Personen um doppelt Geimpfte und Genesene handelt.
Falls sich die Fallzahlen erneut nicht eindämmen lassen und sich die Situation auf den Intensivstationen verschärft, dann fordern wir einen raschen und konsequenten Lock-Down. Damit meinen wir eine sofortige Schliessung aller nicht systemrelevanten Betriebe, bis die Fallzahlen gesenkt wurden. Dies bleibt nach wie vor das letzte und effektivste Mittel der Pandemiebekämpfung.
Auch langfristig und international gesehen ist die derzeitige Strategie problematisch: Das Covid-Zertifikat für Geimpfte dauert ein Jahr. Und was dann? Impfen wir glücklich weiter und vergessen dabei, dass in anderen Ländern der Zugang zur Impfung genau deswegen kaum gegeben ist, weil reiche Länder die Impfungen horten? Müssen wir dann zusätzlich Überzeugungsarbeit leisten bei jenen, die sich kein drittes Mal impfen lassen wollen? Es würde uns guttun, etwas bescheidener zu sein und zugunsten der globalen Pandemiebekämpfung auf eine breite Palette an Massnahmen zu setzen, nicht nur auf die Impfung – ein Virus kennt keine Landesgrenzen!
3. Aufhebung des Patentschutzes
Die PdA ist überzeugt von der Wichtigkeit der Impfung im Kampf gegen diese Pandemie. Aus diesem Grund möchten wir erneut betonen, dass internationale Solidarität hier unabdingbar ist. Wir fordern den Bundesrat dazu auf, sich für die Aufhebung des Patentschutzes einzusetzen. Die Covax-Impfallianz, welche die Aufgabe hat, Impfdosen auch an arme Länder zu verteilen, droht zu scheitern[7]. Eine solidarische, internationale Bekämpfung der Pandemie ist für uns alle von Vorteil, sie ist auf lange Sicht günstiger, effizienter und nachhaltiger. Aus diesem Grund ist es wichtig, Hürden ab- und nicht künstlich aufzubauen.
Das oft erwähnte Argument, der Patentschutz sei wichtig, um die Innovationskraft der Forchung zu stärken, ist realitätsfremd und absurd. Ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, welche jetzt eine rasche Entwicklung von Covid-Impfstoffen ermöglicht hat, wurde in jahrzehntelanger Arbeit in staatlichen Universitätslaboren geleistet und somit von der Öffentlichkeit finanziert. Schon deshalb sind die entwickelten Impfungen nicht einfach geistiges Eigentum der Pharmafirmen, die sie produzieren.
Überhaupt darf sich Forschung nicht primär an der Gewinnmaximierungsstrategie von Unternehmen/Konzernen orientieren. Die Wissenschaft soll in erster Linie der Menschheit dienen. Dies kann ihr nur gelingen, wenn sie sich möglichst unabhängig von marktwirtschaftlichen Interessen mit den realen/existentiellen Herausforderungen des globalen Zusammenlebens auseinandersetzt.
4. Eine transparente und allen zugängliche Impfkampagne
Die bisherige Pandemiebekämpfung ist geprägt davon, dass sich die Bevölkerung vielfach nicht abgeholt und in ihren Ängsten nicht ernstgenommen fühlt. Massnahmen erscheinen willkürlich und Menschen werden auf Grund ihrer Herkunft, ihres Alters oder ihres Bildungsstandes verleumdet und ausgegrenzt. Zivile Initiativen werden zudem in der Pandemiebekämpfung als Ressource unterschätzt.
Im Kapitalismus wird gerne betont, dass Menschen nun mal leisten müssen und für ihr Schicksal selbst verantwortlich sind. Wir halten dies vor allem im Angesicht einer solchen Pandemie und wirtschaftlichen Krise für eine sehr realitätsfremde und zynische Haltung. Wir sind alle betroffen und wir alle verdienen eine solidarische und fürsorgliche Gesellschaft.
Wir brauchen einen niederschwelligen Zugang zu Impfungen. Dazu benötigt es eine transparente und klare Kommunikation und Aufklärungsarbeit von Seiten der Behörden. Eine mögliche Massnahme wären mobile Impf- und Testwagen mit spezialisiertem Personal, welches fähig ist, auf Fragen und Ängste einzugehen.
Wir sollten weiterhin versuchen, einander möglichst fürsorglich und verständnisvoll zu begegnen, nicht nur strafend und einschränkend. Dabei spielt die behördliche und mediale Kommunikation eine wichtige Rolle, denn sie beeinflusst unser Handeln.
5. Umverteilung
Zum Schluss möchten wir auf eine von uns lancierte Petition hinweisen, die eine Solidaritätsabgabe auf Millionär:innen[8] fordert. Die Pandemie hat die Ungleichheit zwischen Arm und Reich verschärft[9]. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass eine Umverteilung stattfindet, die jene stärkt, die bedürftig sind. Dies verbessert die Wirtschaftskraft aller Menschen, hat damit einen positiven Effekt auf die gesamte Wirtschaft und bringt den von der Krise betroffenen Menschen eine Erleichterung.
In diesem Sinne hatte der PdA-Vertreter Denis de la Reussille im Nationalrat eine einmalige Covid-Solidaritätsabgabe von zwei Prozent auf Vermögen ab drei Millionen Franken verlangt. Er begründete das so: “Es ist nicht haltbar, dass die Kosten der Krise einzig auf die Einkommensschwachen und die Angestellten unseres Landes abgewälzt werden.” Und: “Wer bisher stark von der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte profitierte, muss nun seinen Beitrag zum Allgemeinwohl und zur Wiederankurbelung der Wirtschaft leisten.” Mit dieser Forderung stiess der PdA-Nationalrat bei der bürgerlichen Mehrheit auf taube Ohren, und seine Motion wurde am 22. September 2021 abgelehnt. Da zeigte sich halt wieder, dass wir nicht alle im gleichen Boot sitzen.
Gesellschaftliche Ungleichheit ist ein natürliches Resultat des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Dieses unmenschliche Wirtschaftssystem zu überwinden, dafür kämpft die Partei der Arbeit. Es braucht einen radikalen Wechsel!
[1]https://www.swissinfo.ch/ger/maskenpflicht–hin-und-her-des-bundesrates-praegt-noch-heute-die-haltung-vieler-schweizer; https://www.srf.ch/news/schweiz/von-der-empfehlung-zur-pflicht-wie-der-bundesrat-zur-maskenpflicht-fand; https://www.google.com/aktuelle-ausbrueche-pandemien /wirksamkeit-nicht-pharmazeutischer-massnahmen-zur-eindaemmung-des-coronavirus.pdf.download.pdf
[2]https://www.srf.ch/news/schweiz/warum-bei-corona-am-anschlag-versaeumnisse-der-behoerden-bei-der-pandemie-vorsorge
[3]https://sciencetaskforce.ch/
[4]https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/haeufig-gestellte-fragen/soll-ich-mich-testen-lassen-wenn-ich-vollstaendig-geimpft-bin; https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/testen.html
[5]https://www.nzz.ch/wissenschaft/bundesrat-weitet-covid-zertifikatspflicht-aus
[6]https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html
[7]https://www.srf.ch/news/wirtschaft/impfgerechtigkeit-globale-impfallianz-covax-kann-nicht-liefern
[8]https://pda.ch/2020/04/corona-solidaritaetsabgabe-fuer-millionaerinnen-zur-unterstuetzung-von-arbeiterinnen-familien-und-kleinunternehmen/
[9]https://www.srf.ch/news/wirtschaft/corona-verschaerft-ungleichheit-wenn-die-reichen-reicher-und-die-armen-aermer-werden