Stellungnahme Partei der Arbeit Bern
«Es liegt in der Natur des Kapitals, einen Teil der Arbeiterbevölkerung zu überarbeiten und einen andern zu pauperisieren.» (Marx/Engels 1986: 300) Armut ist als zwingendes Nebenprodukt der kapitalistischen Produktionsweise zu verstehen. Die Partei der Arbeit Bern stellt sich gegen individualisierende und moralisierende Erklärungsansätze von Armut und verortet diese als die spezifische Klassenlage in kapitalistischen Un-terdrückungsverhältnissen.
Vernehmlassungsantwort der Partei der Arbeit Bern zur Revision des Sozialhilfegesetzes im Kanton Bern – eingereicht im Oktober 2024
Die Partei der Arbeit Bern (PdA Bern) nimmt die vorgeschlagene Revision des Sozialhilfegesetzes im Kanton Bern mit Besorgnis zur Kenntnis. Die Sozialhilfe muss sicherstellen, dass alle Menschen ein Leben in Würde führen können. Wir befürworten ein solidarisches System, dass den Menschen ins Zentrum stellt und dessen individuelle Bedürfnisse berücksichtigt. Stattdessen setzen die vorgeschlagenen Änderungen weiterhin auf Repression und Druck und haben disziplinierenden und sanktionierenden Charakter. Die Version des Kantons enthält zudem zu viele unnötige Regelungen, führt zu administrativem Leerlauf zulasten der Gemeinden und Sozialdienste und wesentliche Aspekte fehlen im Gesetz. Die Vorlage ist insgesamt ein Rückschritt für die Sozialhilfe und die Betroffenen.
Ablehnung der Kürzungen und Sanktionen
Der Grundbedarf ist aktuell bereits zu tief angesetzt und nicht ausreichend, um das Existenzminimum zu sichern. Das geplante Sozialhilfegesetz soll den Behörden nun die Möglichkeit geben, weitere Leistungskürzungen beim Grundbedarf vorzunehmen, wenn bestimmte Integrationskriterien nicht erfüllt werden. Damit wird der Druck auf Sozialhilfebezüger:innen, die oh-nehin bereits in einer psychisch belastenden Situation sind, zusätzlich erhöht.
Die Sozialhilfe soll Rahmenbedingungen schaffen, die den Menschen in prekären Situationen angemessene Unterstützung bietet, anstatt sie weiter zu stigmatisieren. Dabei muss der Fokus auf bedarfsgerechter Förderung, Selbstbestimmung und Vertrauen liegen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen setzen allerdings auf Sanktionen und Disziplinierung und verstärken so die Unsicherheit bei den Betroffenen. Dies erschwert eine nachhaltige soziale, kulturelle und wirtschaftliche Integration, was wiederum negative langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Die PdA Bern fordert ein Sozialhilfesystem, das sich am Individuum orientiert, anstatt auf Bestrafung zu setzen.
Sozialhilfe als Mittel zur Armutsbekämpfung
Die Sozialhilfe ist als Instrument zur Bekämpfung von Armut und zur Förderung sozialer Integration zu betrachten. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, muss die So-zialhilfe im Kanton Bern ausreichend finanziert und ausgebaut werden. Insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist es notwendig, ein stabiles und verlässliches soziales Netz bereitzustellen. Bereits im aktuellen System gibt es Menschen, die auf einen Bezug der Sozialhilfe verzichten, obwohl sie Anrecht darauf hätten. Dies ist teilweise auf die stigmatisierende Wirkung der Sozialhilfe und bei Personen ohne Schweizer Pass auf die Angst, den Aufent-haltsstatus zu gefährden, zurückzuführen. Ein Leben in Armut widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde und verursacht zusätzliche Kosten im Gesundheits- und Sozialwesen. Die PdA Bern setzt sich für ein solidarisches und gerechtes Sozialsystem ein, das allen Betroffenen ohne Angst vor Konsequenzen zur Verfügung stehen soll.
Kein Bezahlkartensystem
Die PdA Bern sieht das Vorhaben, Nothilfe in Form von Bezahlkarten auszuzahlen, mit grosser Besorgnis. Diese Regelung betrifft insbesondere Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben und daher nur Nothilfe erhalten. Bezahlkarten schränken ihre Selbstbestimmung und Autonomie erheblich ein und reduzieren zudem ihre Möglichkeiten, individuelle Bedürfnisse angemessen zu decken. Diese Einschränkungen führen zu Abhängigkeit und nehmen den Betroffenen die Entscheidungsfreiheit über ihre Einkäufe und Ausgaben, was entwürdigend ist. Hinzu kommt, dass diese Karten oft nur an bestimmten Orten genutzt werden können, wodurch der Handlungsspielraum im Alltag weiter eingeschränkt wird. Die Unterstützung von Menschen in prekären Situationen muss menschenrechtskonform erfolgen und die Würde der Betroffenen wahren. Daher sollten auch bei der Nothilfe Geldzahlungen anstelle von Bezahlkarten erfolgen, um ein Mindestmass an Selbstbestimmung zu gewährleisten, wie es auch verfassungsrechtlich verankert ist. Die Einführung von Bezahlkarten würde die ohnehin schon stark eingeschränkte Möglichkeit zur selbstbestimmten gesellschaftlichen Teilhabe weiter einschränken.
Kein Selbstbehaltsmodell – Keine Machtkonzentration beim Kanton
Die Vorlage ist ein auf Kontrolle ausgerichteter Gesetzesentwurf, der von Misstrauen gegenüber der Arbeit der Sozialarbeitenden und den Gemeinden geprägt ist. Er ermöglicht eine Machtkonzentration beim Kanton, verbunden mit weitreichenden Eingriffen in die Gemeindeautonomie.
Die PdA Bern spricht sich klar gegen die Einführung eines Selbstbehaltsmodell im Lastenausgleich aus. Ein solches Modell würde falsche Anreize für die Gemeinden schaffen, indem es rein wirtschaftliche Integrationsaspekte berücksichtigt. Sozialdienste, welche die Integration in den sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen fördern, würden im neuen Modell benachteiligt. Dies widerspricht den Grundsätzen der professionellen Sozialen Arbeit und verunmöglicht die Arbeit gemäss Berufskodex der Sozialen Arbeit.
Forderungen der PdA Bern
In Anlehnung an die Vorschläge von AvenirSocial und BKSE fordert die PdA Bern folgende Punkte:
- Keine weiteren Kürzungen und Verschärfungen: Sozialhilfebezüger:innen benöti-gen Unterstützung, keine Repression. Die geplanten Kürzungen sind menschenunwürdig und führen zu einer Verschärfung der Armut im Kanton Bern.
- Erhalt einer bedarfsorientierten Sozialhilfe: Die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen müssen im Mittelpunkt stehen. Eine pauschale Sozialhilfe widerspricht den Prinzipien der Gerechtigkeit und Chancengleichheit.
- Recht auf ein menschenwürdiges Leben: Die Sozialhilfe muss sicherstellen, dass alle Menschen im Kanton Bern ein Leben in Würde führen können. Wir fordern den Kanton Bern auf, sich für die Erhöhung des Grundbedarfes (GBL) einzusetzen und auf zusätzliche Sanktionen zu verzichten.
- Förderung statt Bestrafung: Wir plädieren für ein Sozialhilfesystem, das den Betroffenen hilft, ihre Situation zu verbessern und ihnen Perspektiven bietet. Integration und Reduktion der Sozialhilfeabhängigkeit kann durch Prävention, Kompetenzförderung, Bildung und Qualifizierung, Gesundheitsförderung und Schuldenbekämpfung gefördert werden.
- Unabhängige Beratungsstelle: Es besteht nach wie vor keine Finanzierung einer unabhängigen Beratungsstelle, welche auf Sozialhilferecht im Kanton Bern spezialisiert ist. Eine solche zu errichten wäre wichtig, um den Sozialhilfebeziehenden rechtliche Unterstützung bieten zu können.
- Allgemeinverbindlichkeitserklärung der SKOS-Richtlinien: Wir fordern den Kanton Bern dazu auf, die SKOS-Richtlinien als verbindlich für alle Sozialen Dienste im Kanton zu erklären – auf Basis der jeweils aktuellen Version, welche durch die Sozialdirektor:innenkonferenz genehmigt wird.
Fazit
Die Partei der Arbeit Bern fordert die Regierung des Kantons Bern auf, die vorgeschlagene Revision des Sozialhilfegesetzes grundlegend zu überdenken und die Interessen und Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Anstatt Menschen in einer finanziellen Notlage weiter zu sanktionieren und stigmatisieren, sollte der Kanton Bern allen Bewohnenden ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Wir lehnen die geplante Revision entschieden ab. Die Sozialhilfe muss ein Instrument der Armutsbekämpfung und sozialen Integration sein und darf nicht als Instrument der Repression und Bestrafung eingesetzt werden.
Partei der Arbeit Bern