Stadtrat Bern
Dringliche Motion Fraktion AL/PdA (Matteo Micieli, PdA / Tabea Rai, AL)
Was heute in Europa geschieht, ist schlimm. Nicht zuletzt gerade weil es in Europa geschieht, ist der Unmut über den Krieg und den Kriegstreiber aber auch die Solidarität mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine gross. Jedoch zeigt sich auch heute wieder klar, wie rassistisch geprägt unsere Strukturen immer noch sind. Nicht nur an der ukrainischen Grenze zu Polen. Auch hier in der Schweiz.
Immer wieder werden fremdenfeindliche und schädliche Narrative vom „gefährlichen, falschen“ Flüchtling öffentlich verbreitet. Auch von namhaften Politikern. Diese politische und rassistisch motivierte Instrumentalisierung der Angst vor dem Fremden wird auch im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine offen zelebriert. Es wird vor Drittstaatenangehörigen gewarnt, welche über die Ukraine in die Schweiz gelangen könnten. Es sind aber nicht nur Vertreter*innen aus der Politik, welche mit solchen Aussagen Schlagzeilen machen. Auch die Medien selber positionieren sich äusserst bedenklich. So war in der NZZ vom 01. März 2022 von „echten Flüchtlingen“ die Rede. Während die Ukrainerinnen mit ihren Kindern wieder zurück in die Ukraine wollen, seien afghanische oder syrische Geflüchtete gekommen, um zu bleiben. So das Narrativ dieser Zeitung, gewisser Kreise, so die Erklärung, weshalb man so grosszügig mit den Geflüchteten aus der Ukraine umgeht. Dieses Narrativ wird, wie oben schon erwähnt, von Politikern getragen, welche etwa für den Migrationsdienst zuständig sind.
Die Verbreitung solcher Narrative, die öffentliche Ausgrenzung von Menschen, nur weil sie anders aussehen, riechen, kochen und beten wie wir, darf nicht unkommentiert bleiben. Denn Rassismus muss auch politisch bekämpft werden. Sonst hat die Rede von Demokratie wenig Gewicht. Denn:
Längst nicht alle haben in der Stadt Bern den gleichen Zugang zu Wohnraum, Arbeit und Bildung. Längst nicht alle können sich sicher sein, alle Grundrechte gewährt zu haben. Längst nicht alle, werden als „Einheimische“ respektiert, sondern immer noch als „Fremde“ gelesen, obschon sie nirgendwo anders hingehören. Längst nicht alle können barrierefrei an der Gesellschaft teilhaben. Geschweige denn auf Augenhöhe. Längst nicht alle haben eine Stimme. Und nicht zuletzt: längst nicht alle sind genügend in der Politik vertreten.
Diese Menschen brauchen eine Stimme, diese Menschen und ihre Anliegen müssen in der Politik angemessen vertreten sein. Auch in der Stadt Bern, in der rund ein Viertel der Wohnbevölkerung Ausländer*innen sind.1 Solche Diskussionen und politischen Arbeiten dürfen und können nicht aus einem reinen Dominanzdispositiv heraus entstehen. Für einen wahren Wandel, damit Projekte wie etwa die von der Stadt schon seit langem angestrebte „City Card“ nachhaltig umgesetzt werden können, müssen Menschen, die heute noch keine Stimme haben mit einbezogen werden, auch in die parlamentarischen und politischen Prozesse. Die Akzeptanz diskriminierter Menschen durch diejenigen, die keine Diskriminierung erfahren und eine Stimme haben ist nicht genug, um wirklich was zu ändern.
Deshalb wird der Gemeinderat wie folgt beauftragt:
- Eine Kommission Rassismus, Migration und Flucht zu schaffen, in der die Gemeinderät*innen und Ämter, die eine besondere Verantwortung innerhalb dieser Themen haben vertreten sind.
- Nebst ständigen Vertreter*innen aus dem Stadtrat und den zuständigen Ämter und Gemeinderät*innen sind in dieser Kommission analog zur Energie- und Klimakommission auch unabhängige Expert*innen und Menschen aus der Zivilgesellschaft aus verschiedenen Kulturen und gesellschaftlichen Bereichen und Schichten vertreten.
- BiPoC und Menschen mit Migrationsvorsprung müssen dabei einen zentralen und ständigen Platz in der Kommission haben, insbesondere auch solche ohne Stimmrecht in der Schweiz.
- Diese Kommission ist mit speziellem Auftrag zuständig für die Förderung transkultureller Kompetenz, dem Abbau von Rassismus und rassistischer Vorurteile. Dazu führt sie jährlich auch verschiedene Veranstaltungen durch.
- Diese Kommission muss bei allen relevanten Geschäften miteinbezogen werden und Vorschläge anbringen können, wie die Politik und Gesellschaft stärker sensibilisiert werden können.
- Diese Kommission muss Vorstösse ausarbeiten können, welche dann im Stadtrat und den zuständigen Kommissionen bearbeitet werden müssen.
Begründung der Dringlichkeit:
Diese Motion sorgt sich um die Rechte marginalisierter Menschen und fordert, deren Lebensumstände zu verbessern. Eine Begründung anbringen zu müssen, weshalb die Rechte geflüchteter Menschen und allen Menschen die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Namens, ihrer Herkunft oder vielem mehr diskriminiert werden wichtig sind und ein solches Anliegen dringlich sein soll, wäre Teil des Problems. Die Rechte unterdrückter Menschen oder der Menschen, die keine Stimme haben sind das politischste Anliegen überhaupt und somit implizit dringlich.
1 https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/stadtverwaltung/bss/fachstelle-fuer-migrations-und-rassismusfragen/fakten#:~:text=Wo%20Ausl%C3%A4nderinnen%20und%20Ausl%C3%A4nder%20in,belief%20sich%20auf%20knapp%2024%25.
Eingereicht am 31.03.2022 in Bern