Wem gehört der Strand?

Biel/Bienne macht meist nur von sich reden, wenn mit Sozialhilfe Beziehenden abgerechnet wird. Oder wenn sich die Bürgerinnen und Bürger ohne Schweizer Pass mit stattlichen Prozentwerten repräsentieren lassen. Und vielleicht gelangt gerade noch auf den Radar, dass der Stadt mit dem Autobahn-Westast eine verkehrspolitische Wende droht. Reifere Zeitgenoss*innen erinnern sich vielleicht gar noch an die EXPO.02, als das Seeufer von der Landesausstellung bespielt wurde. Und genau dieser Perimeter soll nun seiner endgültig kommerziellen Bestimmung zugeführt werden unter dem Label AGGLOlac.

Garantie für diesen kapitalstarken städtebaulichen Eingriff bietet der Wohnbaukonzern Mobimo, der sich bereits Zürich West auf eindrückliche Weise aufgeprägt hat. Und Garantie für die Garantie bieten die Gemeindeexekutiven der Städte Biel und Nidau, die sich so gebärden, als hätten sie den ganz grossen Fisch an Land gezogen. Das entspricht konsequent ihrer Vision von neoliberalem Umbau, die sie schon mit der Zusage zum Autobahn-Westast unter Beweis gestellt haben. Dass es sich dabei nicht um rechtsbürgerliche Machenschaften handelt, sondern um rotgrünmittig gedeckte Projekte, macht die Angelegenheit zu einem brisanten politischen Knackpunkt.

Während sich die Sozialdemokratie noch immer nicht von ihren Gentrifizierungsturbos Stöckli und Fehr (alt und neu Stapi) zu emanzipieren vermochte, macht ihnen der Bürger*innenprotest langsam die Hölle heiss. Bürgerlich demokratische Usancen geraten vor diesem Hintergrund zum Spielball von taktischen Mätzchen. Was zählt da schon, dass das Bieler Parlament sich gegen einen Verkauf an die Mobimo entschieden hat? Im Deal mit der Gemeinde Nidau lässt sich dieser Stadtratsbeschluss problemlos aushebeln.

Niemand kann unter diesen politischen Vorzeichen daran zweifeln, dass vor der Volksabstimmung Mitte 2020 eine geballte Ladung an Propaganda für die Gentrifizierung des Seeufers auf die Bürger*innen einprasseln wird. Den Gegner*innen stehen dabei keine finanzpotenten Interessengruppen zur Seite. Was allerdings noch kein Grund zur Verzweiflung sein muss – wie schon der vielfältig und bunt wuchernde Widerstand gegen das Autobahnprojekt Westast illustriert hat.

Daraus gibt es durchaus einiges zu lernen:

  1. Rotgrün dominierte Regierungen stehen weder für Rot noch für Grün. Sie stehen in erster Linie für Regieren.
  2. Trauen wir der Rhetorik der Parlamente nicht! Viel Pathetisches ist gar nicht so gemeint. Und der Spatz in der Fraktionshand ist alleweil noch das Lieblingsmaskottchen derer, die immer wieder gewählt werden wollen.
  3. Der Widerstand von unten und von der Seite darf sich nicht ins Kalkül von Fraktionen einrechnen lassen, die letzten Endes nur das Regierungsgeschäft parlamentarisch abdecken.
  4. Wer auf den Widerstand von unten – oder neudeutsch: aus der Zivilgesellschaft – setzt, wird sich mit einer Vielfalt an Interpretationen, Vorstellungen und Methoden auseinander setzen müssen. Einheitsfront hiess noch nie Ausmerzung der Unterschiede. Und schliesslich noch
  5. Konstruktives Denken kann zur Falle werden – zum Mitwirken am ursprünglich bekämpften Projekt führen als demokratisches Feigenblatt.

Zu abstrakt? Im Widerstand gegen das Projekt AGGLOlac aber höchst konkret. Und es sind mittlerweile schon einige Initiativen, die sich auf dieser Spur bewegen und ihre eigenen Utopien entwickeln. Oder wie es die Initiative „stranden“ formuliert: „Wir präsentieren keine konstruktiven Vorschläge. Wir propagieren keine besseren Ver- und Überbauungen. Wir vertreten keine alternativen Festlegungen. Wir sagen einfach: nein! Nicht aus Frust, sondern: weil uns da nichts fehlt. Das ist viel. Das gilt es zu verteidigen.“ Bis zur Volksabstimmung gibt es noch viel zu tun. Wie hiess es einmal schon nur? Getrennt marschieren – gemeinsam…? Gemeinsam werden wir Mobimo stranden lassen. Wetten, das wird ein Fest!

Rolf Zbinden, PdA-POP Biel/Bienne
erschienen in der neuen nixBravDa!