Motion Rolf Zbinden (PdA): Ein Platz für James Guillaume (16.2.1844-20.11.1916) in Berns Westen. Intervention der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 16.8.12
Ich danke für die Antwort des Gemeinderats. Noch selten ist er mit mir so einig gegangen wie hier bei der Einschätzung der politischen Haltung von Charles Edouard Jeanneret, genannt Le Corbusier. Wir haben es hier mit einem der „Grossen“ aus der Geschichte der Moderne zu tun: mit einem grossen Künstler und grossen Opportunisten – das soll es ja immer mal wieder geben. Von Salvador Dalí bis Leni Riefenstahl. So weit so gut, so weit so übel. Soweit zum Konsens.
Wer oder was zwingt uns aber, dem politischen Opportunismus in Bern ein Denkmal in Form einer Platzbenennung zu widmen? Ist es eine Frage der Bequemlichkeit? Weil es halt nun schon mal geschehen ist? Oder hat der Gemeinderat Angst vor einer möglichen Kettenreaktion? Oder ist das alles eigentlich halb so schlimm? Immerhin verweist der Gemeinderat – im Sinn einer „Gesamtwürdigung“ – darauf, dass Le Corbusier „nach heutigem Kenntnisstand nie einer zweifelhaften politischen Gruppierung angehörte.“ Das ist nicht nur zweifellos treffend formuliert, sondern es trifft auch den Kern des Problems: Der politische Opportunist geht in Katastrophen und Krisen nicht mit seinem Förderer unter – er putzt dann einfach die nächste Klinke.
„Alles ist vorhanden, alles hängt davon ab, wieviel Mühe man aufwenden wird und wieviel Aufmerksamkeit man alarmierenden Symptomen widmen wird. Baukunst oder Revolution. Die Revolution lässt sich vermeiden.“ Für einen solchen „Ausblick auf eine Architektur“ fehlten Le Corbusier 1923 wohl kaum die einflussreichen Zuhörer. Und wenn er sich in der gleichen Schrift für die „Gesundheit der Elite“ ins Zeug legt, wenn er sein Loblied anstimmt auf „eine besondere Klasse geistig Wirkender, die so beschaffen ist, dass sie zur treibenden sozialen Schicht geworden ist“, dann trifft er erst recht heute auf das eine oder andere kreative Herz, das umfassende gesellschaftliche Harmonie mit technischen und technokratischen Mitteln und Massnahmen zu designen träumt.
Und James Guillaume? Der hat sich Zeit seines Lebens „nach heutigem Kenntnisstand“ nie von „zweifelhaften politischen Organisationen“ fern gehalten. Er stand offen ein für die Internationale der ArbeiterInnen. Er bezahlte dafür mit einem Berufsverbot als Lehrer, er wurde zur Emigration gezwungen. Ist es ein Zufall, ist es ein lässliches Versäumnis, dass der Gemeinderat den Namen des jurassischen Arbeiterführers in der Antwort auf eine Motion, die eben diesen Namen im Titel trägt – ist es denn bloss ein Zufall, frage ich Sie, dass der Gemeinderat den Namen von James Guillaume nicht über seine Lippen bringt? Wem könnte das denn peinlich sein? Nämlich einer Persönlichkeit mit einer Platzwidmung die Referenz zu erweisen, die sich im Kampf für die Interessen der Lohnabhängigen nie und von niemandem kaufen liess?
Vielleicht muss ich doch etwas deutlicher werden: Der rot-grün dominierte Gemeinderat von Bern zieht den Speichellecker der Vichy-Faschisten dem Organisator der Ersten Internationale der ArbeiterInnen als Namenspatron in Bern West vor. Punkt. So ist es. So ist es der Antwort des Gemeinderats zu entnehmen. Die Partei der Arbeit ist empört, aber nicht erstaunt. Wer in der bekannten Tradition von Le Corbusier eine Siedlung von bescheiden Verdienenden schleifen lässt, um „soziale Durchmischung“ zu erzwingen, und wer von der damit verbundenen „Aufwertung“ eines ganzen Quartiers schwadroniert, wird wohl wissen, wohin die Reise gehen soll.
Diese Arroganz der Sozialtechnokratie verdient eine Antwort, welche der Tradition von Bern West angemessen ist: Pfeifen wir auf die fragwürdige „Aufwertung“ durch einen opportunistischen „Leuchtturm“. Stehen wir zur reichen Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter! Wer James Guillaume war – das ist in alle Sprachen, die in Berns Westen gesprochen werden, übersetzbar. „But who the fuck is Corbusier?“ Erklären Sie das den Leuten in Bern West – entsprechende Stellenprozente stehen ja sicher bereit. Und eine „Informationstafel“ ist schon in Aussicht gestellt.
Die Partei der Arbeit wird es nie akzeptieren, wenn die stolze Geschichte der Berner ArbeiterInnen-Bewegung durch Karrieristen jeglicher Couleur demontiert wird. Es geht uns nicht um die Abrechnung mit einem elitären Opportunisten und notorischen Antisemiten – uns geht es um Tradition und Zukunft einer lebendigen und kämpferischen Kultur der Arbeiterinnen und Arbeiter. Diese Tradition könnte dann einen Namen tragen: James Guillaume. Dieser Tradition erweisen wir die Referenz. Die Umbenennung des Le Corbusier-Platzes wäre nicht nur eine späte Ehre für Werk und soziales Engagement von James Guillaume – es wäre auch eine Ehrbezeugung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern von Bern West. Machen wir den Technokraten der „Aufwertung“ und ihren arroganten Urteilen Beine. Zeigen wir Respekt gegenüber der Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter. Bern wird stolz sein auf seinen James-Guillaume-Platz. Die Arbeiterinnen und Arbeiter von Bümpliz und Bethlehem sollen stolz sein: auf ihre Geschichte.
Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 16. August 2012
Ja: 10, Nein: 40, Enthaltungen: 7