Intervention der PdA Bern in der Stadtratssitzung vom 13. August 2009
Es ist fast schon rührend zu lesen, wie der Gemeinderat in seinem Vortrag an den Stadtrat sich vorbehaltlos mit dem repressiven Geist der Initiative identifiziert und das Effizienzbedürfnis von Police Bern zum obersten Gebot erhebt. Und selbst dort noch, wo der Gemeinderat sich einige kritische Fragen zur „praktische(n) Handhabung“ des Artikels 8 der Initiative (Strafbestimmungen) zu stellen wagt, verbleibt er konsequent innerhalb der Logik polizeistaatlicher Effizienz. Gerade in diesen Passagen meldet sich der Appetit auf ein Mehr, ein Immermehr noch an Mitteln und Möglichkeiten der Erfassung und Abarbeitung von gesellschaftlichem Dissens. So verstehet die PdA Bern den Vortrag des Gemeinderats nicht nur als Unterstützungsbotschaft für die Initiative, sondern auch als Warnung.
Aber: Wäre es nicht politisch naiv, vom RGM-dominierten Gemeinderat etwas anderes zu erwarten? Zeigt sich da nicht eine tiefe Stimmigkeit, eine politische Übereinstimmung? Der kürzliche Schulterschluss auf kantonaler Ebene zwischen einem übereifrigen Polizeidirektor und einer Uniform-grünen Position gibt die Stossrichtung vor: „Ein Polizist darf an einer Demo nur noch filmen, wenn er uniformiert ist. Das wird kein Polizist mehr machen.“ (Bund, 30.5.09) Und warum denn nicht? Weil er sich so „massiven, unnötigen Gefahren“ aussetze. Wer allerdings Demonstrierende in dieser Weise dämonisiert, soll sich nicht beklagen, wenn seine politische Saat dann bei den Einpeitschern von Ruhe und Ordnung toller aufgeht, als ihm – oder ihr – vielleicht lieb ist; soll auch nicht jammern, wenn er – oder sie – darauf politisch behaftet wird.
Wenn man uns bei diesem ehrgeizigen Spiel um den Titel der Ordentlichsten im ganzen Bernbiet wenigstens mit dem Märchen der fehlenden rechtlichen Mittel und Möglichkeiten verschonen würde! Da gibt es ein Kundgebungsreglement; da gibt es ein Polizeigesetz; da gibt es ein Strafgesetzbuch. In letzterem gibt es da z.B. den so genannten „Landfriedensbruch“ – einen Paragraphen, der in der Auslegung des Bundesgerichts die Elastizität eines Bungee-Seils erhalten hat: Die „Handlung wird demnach nicht nach der Intensität der dadurch verursachten Rechtsgutsverletzung beurteilt, sondern nach deren aggressivem Erscheinungsbild.“ Man führe sich doch die alljährlichen Winter-Manöver rund um das WEF vor Augen und beantworte dann bitte die Frage: wer wen? Wer wen einschüchtert mit seinem aggressiven Auftritt? Wer wen jagt? Wer wen kontrolliert? Wer wen einsperrt? Wer wen demütigt? Aber Sie haben recht: ich schweife ab. Mit reinem Erscheinungsbild hat das nämlich schon nicht mehr viel zu tun!
Einig sind wir uns in einem Punkt: Bequemer ist es für die Polizei alleweil, wenn es letztlich einzig und allein um ihre eigene Einschätzung, ihr eigenes Ermessen geht. Alles andere ist viel zu „kompliziert“, wie der Gemeinderat unterstreicht – und er zeigt damit, wie kompliziert der Umgang mit demokratischen Grundrechten sein kann. Versammlungsfreiheit? Empört hängen wir an der Glotze, wenn sie mit Reizgas und Schrot losgelassen werden – anderswo ist das ganz was anderes – anderswo! Ist doch gar nicht so kompliziert – oder?
Weniger kompliziert, schneller, effizienter: So hat noch jeder billige Jakob getönt. Schneller und effizienter „können sowohl bewilligte und unbewilligte Kundgebungen als auch Spontankundgebungen aufgelöst werden“ – legal? Illegal? scheissegal! Wenn denn nur der Polizei „eine Kundgebung auflösen kann, bevor sie eskaliert.“ Also schneller als schnell – wie der Westernheld, der schneller schiesst als sein eigener Schatten. Wäre es doch auch am effizientesten, PWs aus dem Verkehr zu ziehen, bevor sie sich in Unfälle verwickeln können. Sie sehen: Ich habe sogar begriffen, was der Gemeinderat meint, wenn er „präventive Wirkung“ sagt.
Nachhilfe brauche ich allerdings beim Verständnis der folgenden Satzes aus dem Vortrag des Gemeinderats: „Die Entfernungspflicht erhöht dabei den Druck auf die Organisierenden und Teilnehmenden, sich von den Gewaltelementen klar zu distanzieren.“ Ich distanziere mich – wohl gemerkt! – vor jeder Eskalation von potentiellen Gewaltelementen, und zwar klar: in Gedanken, Worten und Taten. Da freut sich doch der kleine Flic aus den Tiefen der autoritären Seele. Die Übertragung auf das Beispiel mit den PWs schenke ich mir.
Der Gemeinderat verspricht uns „Massnahmen zur Verbesserung der objektiven und subjektiven Sicherheit“. Er tut dies zu einer Zeit, die gekennzeichnet ist durch die finanzielle und existenzielle Verunsicherung breiter Bevölkerungsschichten. Und er verkauft uns ordnungspolizeiliche Aufrüstung gegen die Preisgabe demokratischer Grundrechte. Ist das nicht ein Hohn? Die PdA Bern meint: Das ist durchaus kein Widerspruch. Im Gegenteil: Je heftiger die alltäglichen Zumutungen für das Volk sich gestalten, desto wichtiger werden Mittel, um die Unzufriedenheit, um die Unruhe, um den lauten und öffentlichen Widerspruch effizient zu entsorgen. Ob wir dem dann Repression oder Prävention sagen, tut nicht viel zur Sache. Liebe Initianten, liebe Kommission für Finanzen, Sicherheit und Umwelt (FSU), lieber Gemeinderat: Wir haben Sie verstanden!
Rolf Zbinden, PdA Bern, 13.8.09