Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung grosser Unternehmensgruppen: kritisches JA

Abstimmung vom 18. Juni 2023

Um den Steuerwettbewerb auf ein Minimum zu beschränken, das schädliche Phänomen der Steueroasen zu verringern und sicherzustellen, dass multinationale Unternehmen weiterhin Steuern zahlen, haben sich 136 Länder im Rahmen der OECD darauf geeinigt, einen Mindeststeuersatz von 15 % auf die Gewinne der betreffenden Unternehmen festzulegen.  Ursprünglich hätte es ein höherer Prozentsatz sein können, doch die Schweiz gehörte zu den Ländern, die sich aktiv dafür einsetzten, dass dieser so niedrig wie möglich gehalten wird. Das macht die gewählte Lösung sehr begrenzt und anfällig für Kritik: 15% ist immer noch eine Steueroasenquote, auch wenn sie besser ist als das, was derzeit in der Schweiz existiert.

Zur Umsetzung dieses Abkommens verabschiedete die Bundesversammlung ein Verfassungsgesetz, das eine Ausnahmeklausel vorsieht: Multinationale Unternehmen, deren Umsatz 750 Millionen Franken übersteigt, werden mit 15% auf ihre Gewinne besteuert. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die weiterhin der ordentlichen Steuergesetzgebung unterstehen, welche in den meisten Kantonen weniger als 15% beträgt. 25% der zusätzlichen Steuereinnahmen aus dieser Verfassungsänderung würden an den Bund gehen – der sie teils für die Verteilung an Kantone mit wenigen multinationalen Konzernen, teils für die «Wirtschaftsförderung» der Schweiz verwenden würde.  75% sind für die Kantone vorgesehen, insbesondere an drei Kantone: Zug, Basel-Stadt und Genf.  Kantonen, denen es freistünde, diese Gunst zu nutzen, um die Steuern für nicht betroffene Unternehmen und Privatpersonen weiter zu senken (was der Kanton Zug bereits plant).  Ein Teil des Geldes würde im Rahmen des interkantonalen Ausgleichs immer noch an andere Kantone ausbezahlt, wenn auch in geringem Umfang.

Dieser Verteilungsschlüssel und die Zuweisung dieser zusätzlichen Steuereinnahmen zur Wirtschaftsförderung oder anderen Steuersenkungen – und nicht für nützliche Zwecke wie soziale Gerechtigkeit oder ökologischen Wandel – wird von der SP als Verschärfung des interkantonalen Steuerwettbewerbs und als ungesundes Modell der wirtschaftlichen Entwicklung angeprangert. Die SP bekämpft deshalb dieses Gesetz, in der Hoffnung, der Bundesversammlung im Falle einer Ablehnung durch das Volk ein besseres und sozial gerechteres Gesetz aufzuzwingen. Die Grünen haben keine Stellung bezogen. Linksradikale Organisationen wehren sich gegen diese Massnahme, da das von der OECD erzielte Abkommen dazu beitrage, die Ausplünderung der Länder des Globalen Südens durch multinationale Konzerne mit Sitz in Ländern des Nordens aufrechtzuerhalten.

All diese linke Kritik an diesem Verfassungsartikel ist legitim. Aber die Wahl, vor der wir bei der Abstimmung stehen, ist entweder diese Veränderung oder der Status quo; und es ist nicht klar, wie der Status quo in irgendeiner Weise für den globalen Süden oder für die Steuergerechtigkeit besser wäre.  Angesichts der rechten Mehrheit in der Bundesversammlung scheint es unwahrscheinlich, dass es der SP gelingen wird, ein besseres Gesetz durchzusetzen, wenn diese schon vom Volk abgelehnt wird.  Nur unter diesen Umständen, wobei diese Initiative ein sehr kleiner Schritt in Richtung gerechtere Besteuerung ist, der dennoch sehr vage ist und viele Probleme ungelöst lässt, ruft die PdAS zu einem JA auf.  Dabei darf es nicht nur darum gehen, räuberische multinationale Konzerne stärker zu besteuern oder die Steuereinnahmen aus der Ausplünderung des Landes des Südens durch ihre Aktivitäten etwas besser umzuverteilen, sondern solchen Unternehmen und ihren zerstörerischen Aktivitäten ein Ende zu setzen.