Menschenunwürdige Wartedauer und Isolation in den Kollektivunterkünften unter der Ägide der Stadt Bern abschaffen!
Stadtratssitzung Bern
Im Rahmen der kantonalen Ausschreibung «Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereich im Kanton Bern» (NA-BE) hat die Stadt Bern den Zuschlag als regionale Partnerin für die Region «Bern Stadt und Umgebung» (inkl. Köniz, Muri, Ostermundigen, Bremgarten, Zollikofen und Kirchlindach) erhalten. Sie hat dazu mit dem Kanton Bern einen Leistungsvertrag abgeschlossen. Der Auftrag umfasst Sozialhilfe, Betreuung, Unterbringung und die (Arbeits-) Integration von Geflüchteten. Neu ist die Stadt Bern ab Juli 2020 deshalb neben der 2. Phase auch für die 1. Phase (kantonale Kollektivunterkünfte) verantwortlich.¹
Die Bedingungen in Asylcamps sind unzumutbar und wurden in vielen Kantonen in der letzten Zeit verschärft.² Asyllager funktionieren nach den Prinzipien Überwachung, Regeln, Disziplin und Kontrolle und erlauben damit keine Selbstbestimmung und individuelle Bedürfnisbefriedigung von Geflüchteten. Die andauernde Demütigung ohne Selbstbestimmung führt dazu, dass Menschen krank werden – seelisch und körperlich. Das jahrelange Warten auf die Beantwortung des Asylantrags macht depressiv und ist traumatisch. In der Zeit des Wartens darf nicht gearbeitet werden und auch keine Wohnung gemietet werden. Dadurch gibt es keine Zukunftsperspektiven. Geflüchtete werden in Bezug auf Bildung, Wohnen und Gesundheit nicht ernst genommen. Nach Erfahrungsberichten wurde kranken Geflüchteten ein Arzttermin verweigert oder er wurde mit der Bemerkung aufgeschoben, dass es «morgen schon besser» gehen werde. Es fehlt die Privatsphäre: In einem 12 m2-Zimmer wohnen z. T. 8 Personen. Dadurch können die Geflüchteten nicht schlafen. Es gibt immer Lärm und es ist schmutzig, weil zu viele Menschen an einem Ort sind und es nach Erfahrungsberichten z. T. nur 1 Dusche für 40-50 Personen gibt. Die Geflüchteten werden in Asylcamps isoliert und bekommen dadurch keine Chance, zu zeigen, dass sie auch ein Teil der Gesellschaft sind. Z. T. müssen sie 3-mal pro Tag mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie sich in der Nähe des Asyllagers aufhalten. Sie können nicht selber entscheiden, in welches Lager sie kommen und werden ungefragt transferiert. Deswegen sind sie zusätzlich isoliert. Der Zugang zu Asylcamps ist für die Öffentlichkeit, für politische AkteurInnen und für NGOs z. T. beschränkt, was eine öffentliche Kontrolle der Zustände behindert.
Diese menschenunwürdigen Zustände dürfen nicht zugelassen und perpetuiert werden. Insbesondere unter der Ägide der rot-grünen Stadt Bern erwarten die Berner*innen eine andere Flüchtlingspolitik. Mit dem Abschluss des Leistungsvertrags wurde ein erster Schritt getan, der es nun erlaubt, die Situation der Geflüchteten in den Asylcamps zu verändern.
Der Gemeinderat wird um die Umsetzung der zwei Forderungen gebeten:
- Er erarbeitet die Voraussetzungen für die Auflösung der Asylcamps im Verantwortungsbereich der Stadt und findet für die Unterbringung andere Lösungen.
- Er sichert die Grundrechte von Geflüchteten (eigenständiges Wohnen, Bildung, Gesundheit, Bewegungsfreiheit und Schutz gegen Gewalt) und erlaubt es ihnen, zu zeigen, dass sie Teil der Gesellschaft sind.
Begründung der Dringlichkeit
Die Umsetzung von NA-BE in der Stadt Bern beginnt am 1. Juli 2020. Je früher das Geschäft im Stadtrat behandelt wird, desto sicherer kann die langfristige Planung bei der Umsetzung ausfallen. Der Stadtrat hatte bisher nur die Möglichkeit den mit dem Kanton abgeschlossenen Leistungsvertrag abzusegnen und sollte sich daher noch vor Einführung mit Forderungen mit der genauen Umsetzung beschäftigen können.
Bern, 24.06.2020
¹ IAFP Stadt Bern. S. 75.
² Infos und Erfahrungsberichte in: Migrant Solidarity Network. «Asylcamps sind keine Lösung». Broschüre. Informationen auf: www.migrant-solidarity-network.ch.