Rede Zora Schneider Stadträtin (PdA)
Stadtratssitzung Bern vom 27. Februar 2020
Umsetzung kantonales Betreuungsgutscheinsystem: Reglement vom 30. August 2012 über die familienergänzende Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Betreuungsreglement; FEBR; SSSB 862.31); Totalrevision
Bei dieser Totalrevision handelt es sich um eine Sparvorlage. Ein Jahr nach dem Frauenstreik, der das Verlangen nach mehr Gleichberechtigung auf starke Weise ausdrückte, wagt es der Gemeinderat, ausgerechnet bei der Kinderbetreuung zu sparen. Dies ist asozial und antifeministisch. Schon heute bestehen Wartelisten für Kita-Plätze und auf der städtischen Webseite wird empfohlen, sein Kind vier bis zehn Monate zum Voraus anzumelden, am besten wohl also, bevor es überhaupt gezeugt wurde. Dies ist sehr beschämend für eine linke Stadtregierung. Ausgehend von Beschlüssen des Grossen Rates, eines Parlaments also, das zu zwei Dritteln aus Männern besteht, liefern die Legitimation für diese Vorlage. Die Autonomie der Stadt Bern wird beschnitten, indem ihr Geld und Handlungsmöglichkeiten entzogen werden, aber sie ist bereit, bei diesem und auch bei anderen Themen Einschnitte in Kauf zu nehmen, und versucht, uns in einem Brief davon zu überzeugen, dass die Beibehaltung des Status quo in der Stadtberner Kinderbetreuung für die Stadt zu teuer wäre. Gleichzeitig haben wir im Stadtrat immer wieder teure Infrastrukturprojekte auf dem Tisch. Ich erinnere beispielsweise an eine öffentliche Toilette für 380 000 Franken auf dem Mühleplatz. Ich bin nicht gegen öffentliche Toiletten, aber es ist ein interessanter Vergleich, wenn man Folgendes bedenkt: Wenn die Stadt Bern die kantonale Reduktion der Vergünstigungen ausgleichen würde, was der Forderung von Antrag Nr. 4 entspricht, würden Kosten in der Höhe von zwei solchen Mühleplatz-Toiletten resultieren. Dieser Vergleich
zeigt, dass die Prioritäten falsch gesetzt werden. Mir kann niemand sagen, dass wir uns die Beibehaltung der aktuellen Vergünstigungen nicht leisten könnten. Weiter stört uns
die Erhöhung der Arbeitszeit-Prozente für die Eltern, die für den Erhalt der Vergünstigungen erforderlich sind. Der Kanton will die Eltern zwingen, zusammen mindestens 140% zu arbeiten.
Somit müssten zum Beispiel beide Elternteile 70% arbeiten. Dazu möchte man fragen, weshalb nicht gleich 100% gefordert wird. Ich verweise auf die Tatsache, dass die Eltern vermehrt
migrantische Haushaltskräfte in sklavischen Verhältnissen anstellen, wenn sie zu viel arbeiten müssen. Das bestehende Problem dieser Gesellschaft, dass soziale reproduktive
Arbeiten nicht gewürdigt werden, wird also nur von den einen Frauen auf andere Frauen verschoben. Aus diesem Grund müssten wir eigentlich über einen Ausbau der Kinderbetreuung
und über eine Erweiterung des Zugangs zu derselben sprechen. Dies ist aber leider nicht der Fall, was bei uns Unverständnis und Wut auslöst. Ich bin sicher nicht bereit, einer solchen Sparvorlage zuzustimmen. Ich würde das höchstens dann tun, wenn die Vergünstigungen zumindest gleich hoch blieben wie heute, wie es in den Anträgen verlangt wird.