Rede zur Motion, Zora Schneider (PdA)
Stadtratsitzung Bern vom 12. Dezember 2019
Wir besprechen die Forderungen dieser Motion zum wiederholten Mal und sie hat nichts an Aktualität verloren. Nach wie vor sind Menschen von Folter und existentieller Not bedroht und vielen von ihnen verlieren ihr Leben auf der Flucht und auch wenn sie zurückgeschafft werden. Ihnen zu helfen, ist unsere moralische Pflicht! Die Erfüllung existentieller Bedürfnisse und der Erhalt des Lebens von Menschen wird moralisch nur durch Konsequenzen ähnlich schwerwiegender Art aufgewogen. Das heisst, erst recht nicht durch rassistisch motivierte und in der Phantasie angesiedelte Ängste! Oder durch verschleiernde Umkehrungen der Tatsachen, wie sie sich in Worten wie «Gutmenschentum» zeigen.
In der Moralphilosophie wird zur Illustration unserer moralischen Pflicht ein Bild benutzt: Jemand geht an einem Teich vorbei, in dem ein Kind ertrinkt. Wenn die Person das Kind rettet, wird sie nass. Natürlich leuchtet es ein, dass es für die vorübergehende Person eine moralische Pflicht gibt, das Kind zu retten! Diese besteht auch, wenn es noch einen Teichverantwortlichen gibt, der für den Teich zuständig wäre, der aber nichts tut. Und erst recht gilt diese Pflicht, wenn dieser sogar eine Grenzmauer um den Teich aufgebaut hat und mindestens in Kauf nimmt, dass das Kind ertrinkt. Diese Art der Pflicht trifft uns alle. Wir sind sozusagen um den Teich versammelt und zum Teil reden wir darüber, dass wir das Kind gern retten würden. Aber dann werden weitere Menschen in den Teich gestossen. Die Anwesenden helfen beim Gefangennehmen von weiteren Menschen, die man zum Teich bringt und auf dem Weg zum Teich sind schon Menschen gestorben, weil man sie zu fest gefesselt hat.
Ja. Man kann sagen, dass ich das Bild jetzt ziemlich ausgereizt habe. Aber es illustriert das Wesentliche: Es reicht nicht dabei zu stehen und den Anweisungen des Teichzuständigen zu folgen. Das Recht allein ist kein Garant für Gerechtigkeit. Vor allem dann nicht, wenn es solch grundsätzliche moralische Prinzipien verletzt.
Ich habe Fragen an den Gemeinderat: Als wir die letzte solche Motion besprochen haben, hat er geschrieben, er wolle das Thema bei der Städteinitiative Sozialpolitik, bei den zuständigen kantonalen Konferenzen (Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren und Konferenz der Kantonsregierungen und direkt beim Bundesrat auf den Tisch bringen. Das sei erfolgsversprechender als andere Vorgehensweisen. Ausserdem sollten Ansätze erarbeitet werden, die dem angebotenen Engagement der Städte Rechnung tragen. Das war vor zwei Jahren. Deshalb würde ich gern wissen, was man bis jetzt in Bezug auf die angekündigten Massnahmen erreicht hat.
Ausserdem möchte ich die Gemeinderätin fragen, ob sie eine Mitarbeit bei Ausschaffungen befürworten kann angesichts der moralischen Pflicht, niemanden an Leib und Leben schaden zuzufügen.
Es ist Zeit, ein Zeichen zu setzen z. B. indem man Ausschaffungen stoppt und Sans Papiers legalisiert! Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.