Stadtrat Biel/Bienne, Peter Heiniger, PdA
Argumentarium zum Gemeinderatsgeschäft «Kauf des Victorinox Gebäudes»
Das vorliegende Geschäft enthält einige Punkte, die es genauer anzuschauen gilt:
Es existieren zwei Kaufinteressenten für das Gebäude der Victorinox am Grillenweg 4. Zum einen die Stiftung l’étrive zum anderen die Stadt Biel.
Normalerweise müsste ich aus rein rationalen Gründen einer Erschliessung von Schulräumen zustimmen. Diesmal jedoch nicht.
Ich durfte die Stiftung l’étrive kennenlernen. Dort arbeiten wundervolle Menschen, die von ebenso wundervollen Menschen begleitet und betreut werden. l’étrive ist ein geschütztes soziales Berufsatelier mit ungefähr 30 Arbeitsplätzen für leicht bis mittelschwer körperlich und psychisch behinderte, erwachsene Personen, die eine IV Rente beziehen.
Die Stiftung l’étrive hat nach einem umfangreichen und langwierigen Verfahren die Finanzierung für den Kauf sichern können.
Kurzfassung der Abläufe, die alle belegt sind:
- 23.8.2018: 1. Kontakt der Stiftung l’étrive mit der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Biel.
- November 2018: die 1. Offerte wird von l’étrive als zu teuer befunden, auch wegen der kurzen Laufzeit des Baurechts.
- Januar 2019: 2. Offerte. Wird von l’étrive akzeptiert, da wegen der verkürzten Laufzeit der Kaufpreis von Victorinox nach unten angepasst wird
- 1. April 2019: Mitteilung der Liegenschaftsverwaltung. Ankündigung, dass die Stadt Biel am 6. Mai 2019 eine Besichtigung des Gebäudes vornehmen wird. Zudem die Anfrage, ob L’étrive das Gebäude kaufen kann.
- Ende April 2019: Einigung mit Kanton, Finanzen sind geklärt
Mitteilung der Liegenschaftsverwaltung, dass die Bieler Schulen am Gebäude interessiert seien, dass aber l’étrive Priorität hat - Mai 2019: Die Stadt Biel bietet Victorinox 2,6 Mio Fr. l’étrive muss nachziehen.
Victorinox akzeptiert das Angebot von l’étrive
So wurde am 13. Juni 2019 dieses Jahres der Kaufvertrag zwischen Victorinox und l’étrive unterschrieben.
So weit so gut. Und dazu der schon erwähnte und belegte schriftliche Austausch zwischen den Akteuren.
Der akute Mangel an Schulraum in der Stadt Biel ist bekannt. So wird nun auf dem Vorkaufsrecht, welches die Stadt Biel auslösen kann, beharrt.
Der Planungssicherheit wegen fragte die Stiftung L’étrive – vor der Vertragsunterzeichnung – mehrfach bei der Stadt nach, ob ihrerseits ein Bedarf bestehe. Dies wurde nachweislich und mehrfach bestritten. Im Gegenteil: So wurde von den städtischen Behörden versichert, dass l’étrive auf alle Fälle den Vorrang habe.
Dazu kommt noch, dass die Stadt Biel ein höheres Angebot als l’étrive eingereicht hat, was seitens der Stiftung zu einer Anpassung des Kaufpreises führte…(führen musste). Für die Steuerzahler wohl kaum verständlich.
Um den Schaden in Grenzen zu halten, hat der Gemeinderat (GR) versucht l’étrive eine Alternative vorzuschlagen. Doch es wurden keine Lokalitäten vorgeschlagen, die die Anforderungen der Stiftung erfüllen. Ausserdem, wenn nach Alternativen gesucht wird, kann diese Suche ja durchaus auch für Schulräume stattfinden…
Dazu ist der Bericht des GR lückenhaft bzw. sogar fehlerhaft.
So erwähnt der GR, dass es Ende April eine Besprechung zwischen der Liegenschaftsverwaltung und dem Schulamt auf der einen und l’étrive auf der anderen Seite gegeben habe. Dieses Treffen fand am 7. Juni 2019 statt und war keine Besprechung sondern rein informeller Natur.
Es wurde an diesem Treffen in keiner Weise erwähnt, dass die Stadt l’étrive auf der Suche nach einem Ersatz-Objekt helfen würde.
Was wird da gespielt? Dieses Verhalten ist einer Exekutive absolut unwürdig. Statt die eigenen Versäumnisse zuzugeben und schleunigst nach Schulraum zu suchen, wird der Stadtrat vor die Wahl gestellt:
SchülerInnen oder behinderte Personen…
Zudem werden von der Stadt Umbaukosten von 3,5 Mio Fr. geschätzt… für ein Gebäude, das 2,6 Mio Fr. kostet und – nach Besichtigung – in gutem Zustand ist. Zu sagen ist, dass l’étrive für die Umnutzung 77’000 Fr. budgetiert hat. Natürlich nicht für Schulräume.
Steuergelder werden da verwendet, auf eine eher sehr undurchsichtige Art und Weise.
Rechtlich ist der vom Gemeinderat vorgeschlagene Richtungswechsel zwar möglich aber zumindest moralisch ist dies höchst verwerflich.
Zu bedenken gibt es noch, dass das Gebäude 2 Jahre leer stand… warum wurde die Stadt nicht früher aktiv? Wie lange wissen die städtischen Behörden, dass Schulräume benötigt werden?
Die Glaubwürdigkeit der Stadtbehörden und dabei v.a. des Gemeinderats ist in Frage gestellt. Was durch den schriftlichen und elektronischen Verkehr belegt werden kann.
Ich danke Ihnen, im Namen der MitarbeiterInnen von l’étrive, dass Sie dieses Geschäft ablehnen.
19.9.2019
Pesche Heiniger, Stadtrat für die PdA/POP Biel/Bienne