Kapitalismus und Klimaschutz: zwei falsche Freunde

Dauernd sprechen wir von einem System Change, doch was heisst das genau? Was kann mensch sich darunter vorstellen und wie erreichen wir den? Innerhalb des jetzigen Systems, indem wir einige Rahmenbedingungen schaffen, hier ein Pflästerli aufkleben und dort eine feine Regelung machen? Ist das genug? Nein, bei langem nicht! Was es braucht, ist eine radikale Veränderung unserer Wirtschafts- und Lebensweise, oder sogar einen Neuaufbau!

Wir fordern, dass die Regierung den Klimanotstand ausrufen soll. Sie soll Gesetze und Verordnungen erlassen, die die weitere Zerstörung der Umwelt verhindern sollen. Klimaabkommen sind nichts Neues, 1997 gab es das Kyoto-Protokoll, 2015 das Pariser-Klimaabkommen usw. Sie versprechen uns eine klimafreundlichere Politik, doch mit dem Ergebnis ist wohl (fast) niemand hier zufrieden. Dass kaum eines der sowieso viel zu laschen Versprechungen eingehalten wurde, haben wir nicht unserer Eigenverantwortung, sondern dem System zu verdanken.

Wir leben in einer Welt, in der Profit, wie ein Kompass, der Orientierung dient. Es geht nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern vielmehr um die Maximierung des Gewinns. Die Firmen und deren CEO’s stehen in Konkurrenz zueinander, sie müssen dafür sorgen, dass sie möglichst billige Ressourcengewinnung und Produktion sicherstellen können. Sie folgen somit der Logik der aktuellen, kapitalistischen Wirtschaft. Dass dabei der Klimaschutz oder Arbeiter*innenrechte nicht beachtet werden können, verstehen wohl auch Kinder. Erwachsene leider nicht mehr alle. Aber es geht um den Gewinn, mit umweltschonenden Vorgehensweisen oder mit guten Arbeitsverhältnissen kann man im jetzigen System nicht mit der Konkurrenz mithalten. Wie Greta Thunberg einst an der UNO-Klimakonferenz in Katowice am 12. Dezember 2018 gesagt hat: «Es sind die Leiden der vielen, die für den Luxus der wenigen bezahlen».

Die heutige Staatsform ist zu abhängig von der Wirtschaft, für dass sie einen wirksamen Klimaschutz verfolgen könnte. Die Interessen der Wirtschaft widerspiegeln in keiner Weise die Interessen eines umfangreichen Klima- und Umweltschutzes. Für einen Klimaschutz, der uns für die Zukunft etwas bringt, müsste allem voran das Wirtschaftssystem geändert werden. Die Wirtschaft müsste nach Bedürfnissen ausgerichtet sein und im Rahmen einer klima-, umwelt- und somit auch menschenfreundlichen Ausrichtung stattfinden. Der Profit als oberstes Ziel hat dabei keinen Platz!

Viele kennen sicherlich den Hambacher Forst in Deutschland, dort fand in den letzten Jahren ein antikapitalistischer Klimaprotest statt. Die Regierung verband sich dort mit dem Energiekonzern RWE. Das Ziel war eine profitable Abholzung eines 12’000 Jahre alten Urwalds, einer der letzten Urwälder Europas. Damit/Dort sollte an diesem Ort Braunkohle abgebaut werden, einer der schmutzigsten fossilen Energieträger. Denn Kohle bedeutet Geld. Dank einer jahrelangen Besetzung und einer grossen sozialen Bewegung konnte die Zerstörung des Waldes knapp verhindert werden. Und trotzdem ist der Kampf um den Hambacher Forst noch lange nicht vorbei. Wie in Deutschland bezüglich Klimainteressen und Reliquien der Natur der Regierung nicht vertraut werden kann, ist das in der Schweiz dasselbe. Die Wirtschafts- und Staatsform sind dieselben und somit auch die Logik, der die Staatsoberhäupter folgen. Wir sind in der Schweiz vielleicht nicht von Kohle abhängig, sehr wohl aber von anderen umweltzerstörenden und klimaschädlichen Unternehmen auf dem Schweizer Finanzplatz. Wäre der Finanzplatz der Schweiz ein Land, dann wäre sie das sechsgrösste Land der Welt, also Australien! Auch wenn es nichts Neues ist, schadet es sicher nicht, sich dies immer wieder vor Augen zu führen: Der Bau der Dakota Access Pipeline (Keystone XL) in Nordamerika, welche eine massive Zerstörung der Umwelt und darüber hinaus des heiligen Landes der dort ansässigen indigenen Volks bedeutet, wurde unter anderem von der Credit Suisse mit 850 Millionen Dollars mitfinanziert! Ein weiteres Beispiel ist die Steinkohlemine El Cerrejòn in Kolumbien, welcher zu einem Drittel Glencore gehört und dem Konzern im Jahre 2013 233 Mia. Dollar Umsatz bescherte. Auch hier wurden einheimische Völker zwangsumgesiedelt und riesige Wasservorräte verschmutzt, alles der Kohle und dem Gelde zuliebe. Diese zwei Beispiele von vielen bestätigen das vorher erwähnte Problem, dass in einer gewinnorientierten Wirtschaft kein Platz für das Schützen und Dienen der Welt oder der Menschen ist. Solange wir in diesem System leben und wirtschaften, ist es schlicht und einfach unmöglich, die Umwelt nicht zu zerstören.

Klar, wir alle können und müssen auch selbst etwas machen. Aber sind wir ehrlich, individuelle Konsum-
entscheidungen sind vielleicht gut fürs Ego, aber schlussendlich nur ein kleiner Teil der Lösung! 71% des CO2-Ausstosses werden nicht von uns, sondern von nur 100 Unternehmen weltweit verursacht. Nicht wir sind somit die Schuldigen, sondern sie sind es!

Wenn wir also meinen, dass wir die Welt verändern oder gar retten können, indem wir uns ausschliesslich auf das konzentrieren, was wir konsumieren, dann haben wir es nicht begriffen. So sind wir nämlich nur ein weiterer Teil der Nachfrage, ein potenzielles Millionengeschäft für Nestlé, Unilever und Co., welche sowohl die Umwelt massiv zerstören als auch Menschenrechte stark verletzen. Wir werden auch nicht viel erreichen, indem wir der Regierung vertrauen. Wir brauchen auch nicht einfach mehr Elektroautos (liebe glp). Was wir brauchen, ist ein Systemwandel! Wir müssen weg vom umweltzerstörenden, ausbeuterischen und irreführenden Kapitalismus und hin zu einer solidarischen, bedarfsorientierten Wirtschaft! Eine wirkungsvolle Veränderung ist nur, wirklich NUR mit einer radikalen Umstrukturierung oder sogar Neustrukturierung der Wirtschaft zu erreichen. Wenn wir das nächste Mal also System Change, not Climate Change rufen, seien wir uns bewusst, was dies wirklich bedeutet. Wenn jemand die Parole Anticapitalista schreit, lasst uns mit einstimmen, denn der Zusammenhang ist nicht erfunden! Auch soll der Zusammenhang nicht verunsichern, lediglich soll er Wahrheiten an die Öffentlichkeit bringen, von denen in der Politik nicht gesprochen wird. Lasst uns nicht den Profit, sondern den Menschen und die Natur in das Zentrum unserer Wirtschaft stellen! Für die 99% der Menschen!

System change not climate change!

Arthur Klingl und Jasmin Moser
erschienen in der nixBravDa 2/19