Rede von Zora Schneider (PdA)
Stadtratsitzung Bern vom 2. Mai 2019
Die „Motion Zora Schneider (PdA): Kostenlose und professionelle Sprachkurse für die Integration der Geflüchteten in der Stadt Bern“ wurde angenommen und die „Interfraktionelle Motion AL/GPB-DA/PdA+, SP (Mess Barry, parteilos/Daniel Egloff, PdA/Fuat Köçer, Halua Pinto de Magalhães, SP): Unterstützung von Flüchtlingen beim Abschluss einer Ausbildung“ wurde als Postulat angenommen.
Es geht in den drei Motionen um die Notwendigkeit einer ausreichenden Integration von Geflüchteten durch die Sicherung ihres Zugangs zu Bildung und zu unserer Sprache. Es geht darum, ihnen überhaupt Chancen zu geben. Und es geht auch darum, sie als unterschiedliche Menschen mit diversen Geschichten, Bildungshintergründen, Charakteren und Ambitionen wahrzunehmen und sie nicht alle über einen Kamm zu scheren.
Im Moment habe ich bei der Ausgestaltung der Bildungskurse der Stadt Bern für Geflüchtete, die mit dem neuen Schwerpunktplan Integration zusammenhängen, den Eindruck, dass sie sehr trivial sind. Grundlegende Computerkenntnisse, Pünktlichkeit, Sitten sind das Thema. Man kann nicht so tun, als gäbe es anderswo auf der Welt keine Computer und Handys. Und man kann nicht so tun, als ob die Geflüchteten einheitlich keine Ahnung von solchen Dingen hätten und als könnte man einen Sittenkatalog feststellen, den in der Schweiz alle befolgen.
Sind gewisse von euch schon mal arbeitslos gewesen oder mussten Sozialhilfe beziehen? Dann kennt ihr ja vielleicht die Sinnlosigkeit von zwangsmässigen Kursen und Aufträgen. Für wenige sind sie sinnvoll, für viele nicht. Sie wirken entwürdigend, bieten eben keine Perspektive. Im Flüchtlingsbereich ist es wahrscheinlich noch schlimmer. Es kommt den Behörden einfach nix Schlaueres in den Sinn. Vielleicht sollten sie ihre eigenen Kurse mal selbst besuchen müssen.
Auch bei den angestrebten Perspektiven muss eine Öffnung stattfinden. Das Ziel einer „Arbeitsmarktintegration“ ist viel zu ungenau. Es kommt eben darauf an, ob man sich am Kiosk für 19 Franken abkrüppelt – stundenlang stehen, der Rücken geht kaputt, immer Stress – oder ob man im Büro sitzt. Also kann man nicht sagen, es reiche, wenn man für Arbeit Lohn bekommt und dann sei man integriert. Das Asylsystem ist immer noch vor allem daran interessiert, billige Arbeitskräfte hervorzubringen. Deswegen geht die Tendenz im Kanton Richtung weniger Sprachkenntnissen, weil, und so denken sie wahrscheinlich, so Billigarbeitende müssen doch keine grossen Sprachkenntnisse haben. Ähnliches kommt in den Antworten des Gemeinderates auf die vorliegenden Motionen zum Ausdruck, auch wenn er die Wichtigkeit der Anliegen betont und das würdige ich schon.
Die Probleme sind aber klar: Die Deutschkurse sind vielfältig, aber der Gemeinderat betont selber, dass sie häufig zu teuer sind. Man kann von den Geflüchteten nicht gleichzeitig eine gute Integration verlangen und ihnen mit Konsequenzen drohen, ihnen aber den Zugang zu Deutschkursen verunmöglichen. Und es fehlen Angebote für Kinder, so haben Frauen noch weniger Chancen, solche Kurse regelmässig besuchen zu können und es fehlen auch die in der Schweiz so wichtigen Sprachdiplome, Arbeitszeugnisse und ein gerechter Lohn für die gemachte Arbeit, mit denen die Anstrengungen wenigstens ein bisschen gewürdigt würden.
Die Freiwilligkeit bei der Sprachvermittlung kann gut sein, aber man sollte sich nicht darauf verlassen und z. T. ist dadurch die Qualität von Sprachkursen stark beeinträchtigt. Das ist nicht, was ich unter gleichen Chancen verstehe und hat auch nicht mit den „persönlichen Vorstellungen“ von Geflüchteten zu tun, auf die sich der Gemeinderat als potentielles Kriterium von Geflüchteten bei der Wahl von Sprachkursen beruft. Wenn Sprachunterricht von Freiwilligen durchgeführt wird, kann das zu untolerierbaren Abhängigkeiten führen, die schon in den Beschäftigungsprogrammen z. B. von Kirchgemeinden weit verbreitet sind. Ein paar Stunden pro Woche und häufig Gratisarbeit der Geflüchteten, wofür sie noch dankbar sein müssen. Und das sind sie auch mehr oder weniger angesichts der mangelhaften Möglichkeiten.
Also, was braucht es? Es braucht eine gewisse Einheitlichkeit des Angebotes und einen Überblick darüber, was überhaupt angeboten wird und von wem. Das ist Staatsaufgabe. Deshalb bin ich froh, dass der Gemeinderat in der Antwort einen solchen Bericht angekündigt hat. Man sollte die Geflüchteten auch nicht der Willkür u. a. zum Beispiel von reaktionären Freikirchen überlassen, wie das ja auch im Bereich der Obdachlosigkeit usw. der Fall ist.
Der Kanton hat die Aufgaben in der Asylpolitik ausgelagert, letzthin gab er bekannt an wen. Unterbringung, Integrationsförderung, Sozialhilfe können nun in der Stadt Bern und in den Gemeinden Köniz, Muri, Ostermundigen, Ittigen und Bremgarten vom Städtischen Kompetenzzentrum für Integration übernommen werden. Ich möchte, dass der Gemeinderat diese Chance wahrnimmt und versucht, die in den drei Motionen vorhandenen Aufrufe zur Gerechtigkeit zu hören und dementsprechend zu handeln.