Formel Weh

erschienen in der neuen nixBravDa! die rote Post der PdA Bern.

Er liest sich teilweise wie eine Liste von Schurkenstaaten: der aktuelle Formel-E-Kalender: Das erste Rennen fand erstmals in Saudi-Arabien statt. Über die US-hörigen, frauenfeindlichen, terror- und kriegslüsternen und -finanzierenden Ölscheichs braucht man nicht mehr viel zu sagen. Auch das in Marokko ist schon vorbei, der letzten Kolonialmacht Afrikas, welche immer noch widerrechtlich die West-Sahara besetzt und eine von der UNO geforderte Volksabstimmung über die Selbstbestimmung der Sahrauis immer noch verhindert. Gefahren wurde auf einer Strecke, die nach dem pubertierenden aktuellen Erbprinzen benannt ist, der damit wohl einen Bubentraum erfüllt bekam. Sieht so die Zukunft aus? Die Formel-E redet gerne von Zukunft, Fortschritt etc. Dann letztes Jahr: Zürich, Finanzplatz Nr. 1 in der Schweiz. Greenwashing meets Geldwäscherei. Und jetzt also das schöne, beschauliche, Unesco-Weltkultur-prämierte Bern. Unter Ausschluss von Stimmvolk und Wohnbevölkerung hat die sogenannte Rot-Grün-Mitte-Regierung zugesagt. Ganz unkritisch, gibt es immer noch Blauäugige aus dem Lager, die der Formel-E bezüglich Ökologie glauben. 

Doch die Wahrheit ist eine andere. Auch hierzulande hätte man den Braten riechen können, als Ex-Freiheits- und Auto-Parteiler Ulrich Giezendanner, mittlerweile langjähriger SVP-Nationalrat, sich schon vor 5 Jahren für die Formel-E einsetzte, sein Bubentraum wäre natürlich ein GP der Formel 1 gewesen. Und Jahre vorher auch, als er – zwar noch ohne Erfolg – für eine Aufhebung des Rundstreckenrennverbots von 1955 weibelte, welches der Bundesrat damals erlassen hatte, als im Nachbarland über 80 Zuschauer_innen ihr Leben verloren hatten an den 24 Stunden von Le Mans. Deshalb gibt es in der Schweiz heutzutage «nur» noch Bergrennen wie Saint-Ursanne–Les Rangiers im Jura oder hier das Rennen am Gurnigel, welches sinnigerweise seit 2011 direkt durch den «Naturpark Gantrisch» blochen lässt und die Voralpenregion in Abgasschwaden und Motorengeheul hüllt. Doch für elektrische Mobilität gilt das Verbot nicht. Nicht mehr. Dank einem Buebetrickli, einer Ausnahmeregelung vom 1. April 2016. Kein Scherz! Leider.

Schon für den E-Prix in Zürich wurden die demokratischen Rechte überfahren. Auch in Bern lief es so: Das Stimmvolk und das Parlament wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Für Anwohner_innen gibt es jetzt noch Infoveranstaltungen. Die Stadt Zürich wollte nach dem letztjährigen Rennen dieses Jahr nicht schon wieder, schloss es aber für später nicht aus. Deshalb war für die Saison 2019 wie auch schon 2016 zuerst Lugano im Gespräch, und dann eben Bern. Für nächstes Jahr ist schon von Genf die Rede. Dieser Wanderzirkus will uns zwei Dinge sagen: Einerseits verleidet es den Veranstaltungsstädten zum Teil recht schnell wegen dem hohen Aufwand, andererseits ist es gut für die Propaganda, diese immer anderswo zu veranstalten. Im Rahmen des Rennens, welches E-Mobilität explizit in die Städte reintragen will, gibt es ein grosses Rahmenprogramm von Herstellern, Forschung (ETH), «Umwelt»organisationen (Myclimate) etc. Von Nachhaltigkeit wird dort viel geredet. Nachhaltig wäre die Formel-E vielleicht, wenn sie eine andere Rennserie, z.B. die Formel 1, ersetzt hätte. Stattdessen wurde eine neue geschaffen. Zusätzlich. Das nennt sich dann nachhaltiges Wachstum. Doch am besten ist immer noch kein Wachstum, auch kein «grünes». E-Mobilität sollte die fossile ersetzen wennschon, nicht der noch eins oben drauf setzen. Trotzdem geht es nicht ohne Reduktion und Verzicht. E-Mobilität in die Städte zu tragen, wäre schon gut, aber nicht individuelle, sondern die im öffentlichen Verkehr. Für Autos, auch wenn sie leise und auf den ersten Blick sauber sind, ist schon heute kein Platz. Für Bern würde das heissen, dass man den 10er-Bus nach Köniz/Schliern nach der Tramablehnung elektrifizieren müsste, als Trolleybus betreiben, dann könnte man auch Jumbo-Busse einsetzen wie beim 20er Richtung Wankdorf. Stattdessen stellt Bernmobil im Formel-E-Fieber den 17er nach Köniz Weiermatt auf Elektrobusse um, ohne Oberleitung. Doch dieser ist weniger effizient als ein Trolleybus, weil er nicht direkt gespiesen wird, sondern über eine Batterie, die an der Ladestation an der Endstation aufgeladen wird. Die zwischenzeitliche Speicherung bedeutet einen Effizienzverlust. Zudem wird für den Akku Lithium benötigt, dessen Abbau, z.B. in Bolivien, höchst problematisch ist.

Auch in der Formel-E gibt es natürlich Akkus. Diese Saison halten sie so lange, dass nicht zwei Autos pro Fahrer angeschleppt werden müssen. Bis zum letzten Jahr mussten die Fahrer in der Mitte des Rennens das Fahrzeug wechseln. Dazu haben sie auch noch mehr Leistung, statt 200 jetzt ganze 250 kW (340 PS) in der Qualifikation, im Rennen 200 statt 180 kW), was höhere Spitzengeschwindigkeiten bedeutet. Der Verbrauch nimmt exponentiell zu, genauer: im Quadrat zur Geschwindigkeit. Das heisst, wenn man doppelt so schnell fährt, braucht man viermal soviel Energie. Aufgeladen werden die Boliden nicht etwa am Stromnetz, da dazu die Kapazität nicht ausreichen würde, sondern an Generatoren, die mit Glycerin betrieben werden. Gleich mit Glycerin zu fahren, wäre effizienter und damit sauberer, wenn auch nicht so «sauber», wie mit dem ökologisch fragwürdigen «Bio»-Diesel zu fahren, um dessen Abfallprodukt es sich handelt. Deshalb gilt dieses Aufladeverfahren als klimaneutral. Ein Witz. Die graue Energie wird nicht gerechnet, vordergründig macht man auf grün.

Expansion und Frauenfrage

Zum Glück gehören wir aber mit Marokko und Chile zu den Ausnahmen, welche nicht noch eine neue, zweite Serie im Vorprogramm beherbergen müssen. Jaguar I-Pace eTrophy heisst sie. Es handelt sich um elektrisch getriebene Zwitter zwischen SUV und Tourenwagen der obigen Marke / des obigen Modells. Sonst sind sie an jeder Destination des heurigen Kalenders anzutreffen. Mit dabei und erst noch ganz vorne ist Katherine Legge, die einzige Frau im Feld, die eigentlich für die Formel-E hätte fahren sollen und es früher auch schon tat. Noch immer sind Frauen kaum vertreten in diesem Sport. Das höchste der Gefühle diesbezüglich waren 2013 die 500 Meilen von Indianapolis, wo 4 von 33 Starter_innen weiblich waren. Um dem Defizit nachzukommen, gibt es ab diesem Jahr noch eine weitere Rennserie, die Formel W, einzig für Frauen. Die frühere IndyCar-Kollegin von Legge, Pippa Mann, ist – wie andere Frauen – wenig begeistert davon, wenn auch nicht wie wir aus ökologischen Gründen. Der Automobilsport ist also auf dem Vormarsch. Jedes Jahr mehr Serien, jedes Jahr mehr Rennen. Man muss sich nur anschauen, wie sich der Kalender der Formel 1 entwickelt hat. Von einstellig in den Fünfzigern bis zu über 20 Rennen pro Jahr heutzutage. In fünf Formel-E-Saisons ist die Anzahl von 10 auf 13 gestiegen. Michael Andretti, Formel-E-Teamchef und Mitglied einer Rennfahrerdynastie, wie es sie in den USA viele gibt, sagte einmal, dass die Formel-E geschafft habe, was vorher undenkbar war, nämlich ein Rennen inmitten des Big Apple zu veranstalten. Keine der grossen Rennserien wie Nascar oder IndyCar hat es geschafft, auch nur vor die Tore New Yorks zu gelangen.

Es kann auch kein Zufall sein, dass just in diesem Jahr eine Ausstellung im historischen Museum stattfindet über den Grand Prix der Schweiz in Bern, welcher bis zum Rundstreckenverbot ausgetragen wurde und für die Formel 1 zählte. Die guten alten Zeiten also, wo noch unbekümmert gebolzt werden durfte durch den Bremgartenwald, wo manche gerne eine Waldstadt bauen würden. Sowohl die Stadtregierung als auch das historische Museum zu Bern sind von der Burgergemeinde geprägt. Alec von Graffenried, der Stadtpräsident der Grünen Freien Liste (GFL, also Grünliberale light) ist ein solcher Patrizier, Tuolo de Graffenried, Schweizer Fahrer zu dieser Zeit, nannte sich verbotenerweise sogar Baron. Ja, das waren noch Zeiten, als man noch keine Rücksicht auf Gesetze, Umwelt, das Volk nehmen musste, dem wohl alle Protagonisten nachtrauern. Das Volk wird immer noch ausgebootet, bezüglich Umwelt muss man nicht grün sein, ein grüner Anstrich reicht, und die Gesetze werden immer noch umgangen. Luzius Theiler, Stadtrat von den Grünalternativen (GaP, ehem. bekannt als GPB-DA), hat eine Beschwerde eingereicht, und schön aufgeführt, wie und wo die RGM-Stadtregierung die eigenen Verordnungen bezüglich Umwelt und Verhältnismässigkeit umgeht und missachtet.

In einem andern Fürstentum, – mit Monarch_innen, die ihre Titel noch nennen dürfen – Monaco, wird auch gefahren in der Formel-E. Alle zwei Jahre, sinnigerweise abwechselnd mit einem Oldtimerrennen. Allerdings nur auf einer verkürzten Strecke des legendären Formel-1-GPs von Monaco, welcher zwei Wochen danach stattfindet. Es fehlen die interessantesten Abschnitte wie Haarnadelkurve und Tunnel. Auch die Höhendifferenz ist dahin. Wenn also bezüglich Adelstitel Alec es nicht mit dem Monegassenfürsten aufnehmen kann, bezüglich Formel-E-Strecke schon: mit dem Gefälle beim Aargauerstalden und der Steigung beim Muristalden ist die Strecke viel spektakulärer.
Ayrton Senna verglich mal den GP von Monaco in Monte Carlo mit dem Fliegen eines Helis im Wohnzimmer. Das zeigt gut, wie sinnlos, gefährlich, laut und dreckig das Ganze in etwa ist. Bern ist da durchaus vergleichbar.

In Zürich wurden die wenigen Gratis-Zuschauer_innenplätze regelrecht überrannt, private Gärten gestürmt etc. Dies blüht auch Bern. Die Trockenwiese von nationaler Bedeutung soll zwar tabu sein und der Rosengarten geschont werden, aber Platzprobleme wird es allemal geben und ohne Schaden wird es nicht ablaufen. Auch der Aufwand ist enorm: Hunderte von tonnenschweren Betonelementen mussten hergestellt, hingestellt, abgebaut werden, Strassen gesperrt, verbreitert, erhöht werden (um Trottoirkanten und Dolendeckel auszugleichen), Verkehrsinseln abgebaut und wieder montiert werden etc. In Bern wird es nicht anders sein. Man muss sich schon fragen, ob es wennschon nicht sinnvoller wäre, auf permanenten, schon bestehenden Rennstrecken zu fahren. Am besten wäre es natürlich, auf das Rennen ganz zu verzichten, es wären damit 12 wie letztes Jahr. Mehr als genug. Doch dafür ist es wohl trotz Theilers Stimm- und Verwaltungsbeschwerde zu spät. Gegen die Macht des Geldes ist nicht anzukommen in diesem System. Die beiden langjährigen Seriensponsoren ABB und Bank Julius Bär kommen ja auch aus der Schweiz. Ersterer baut immer noch Staudämme, z.B. 24 in Malaysia, wo Regenwaldflächen verschwinden und die Penan-Ureinwohner_innen vertrieben werden, letzterer ist spätestens seit/dank Whistleblower Rudolf Elmer allen als Steuerfluchthelfer bekannt.

Gründer und CEO der Formel-E ist Alejandro Agag, Mitglied der postfaschistischen «Volkspartei» (PP) in Spanien, für die er unter anderem auch im EU-Parlament war. Vorher war er auch schon in der zum Teil offen faschistischen (je nach Gusto nationalsozialistisch oder franquistisch) Jugendorganisation. Er ist Schwiegersohn von José María Aznar und war auch sein persönlicher Mitarbeiter, als dieser um die Jahrtausendwende für zwei Legislaturen Premierminister Spaniens war. Somit wurde Agag auch in den Korruptionsfall Gürtel reingezogen, der die PP und Aznar betraf, der daneben auch bekannt war als aktiver Klimawandellügner und Kolonialismusglorifizierer.