Um die 2000 Personen demonstrieren in Bern gegen das neue Polizeigesetz

Medienmitteilung Polizeigesetz-Nein-Komitee.

Unter dem Motto „die letzte bewilligte Demo“ demonstrierten ca. 2000 Personen gegen das neue Polizeigesetz, welches am 10. Februar 2019 zur Abstimmung kommt. In Redebeiträgen von Organisationen aus dem Nein-Komitee wurde die Kritik am Gesetz auf die Strasse getragen.

Die Gassenarbeiterin Eva Gammenthaler (Kirchliche Gassenarbeit Bern) wies darauf hin, dass Wegweisungen diskriminierend, ausgrenzend und auch nicht nachhaltig sind: „Wegweisungen isolieren Menschen: Ich möchte an dieser Stelle etwas zynisch fragen: wohin willst du jemanden weisen, wenn es keinen Ort gibt wo diese Person hin kann? Wohin soll sie gehen, wenn ihr ganzes soziales Netz am Ort der Wegweisung ist?“
Weiter machte sie deutlich, dass die Personen und Gruppen, gegen die sich Wegweisungen und das neue Polizeigesetz allgemein richten, Teil unserer Gesellschaft sind. „Wir wünschen uns mehr gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Respekt und eine Politik, die bei den Ursachen von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Desintegration ansetzt. Wir fordern hier und heute: Sozialpolitik statt Repression – denn Armut lässt sich nicht wegweisen!“

Angela Mattli (Gesellschaft für bedrohte Völker) kritisierte, dass das neue Polizeigesetz den Minderheitenschutz aushebelt, ohne Lösungen zu präsentieren und die Grundrechte der Fahrenden verletze: „Mit der Ausweitung des Wegweisungsartikels auf Jenische, Sinti und Roma wird ihre rechtliche Situation auf diskriminierende Weise verschlechtert. Neu kann die Wegweisung mit einer Frist von 24 Stunden ausgesprochen werden – auch ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Voraussetzung für die Wegweisung ist das Vorhandensein eines „Transitplatzes“. Dies ist umso stossender, da der Kanton Bern es trotz gesetzlicher Verpflichtung es bislang versäumt hat, fahrenden Jenischen, Sinti und Roma genügend Halteplätze zur Verfügung zu stellen.“

Zora Schneider (PdA Bern) äusserte sich zu den Kostenübertragungen und stellte den Zusammenhang zwischen der zunehmenden Ungleichheit im Kanton Bern und der bürgerlichen Ideologie her, die ihr unangenehme Meinungen durch die Drohung des finanziellen Ruins zu verunmöglichen versucht und dabei eine gewisse Schadenfreude empfindet. Sie sieht im neuen Polizeigesetz einen Versuch, «die einen gegen die anderen auszuspielen», was zu einer Vereinzelung und zur Verunmöglichung notwendigen politischen Protestes führt. Sie kritisierte ausserdem, dass unter dem neuen Polizeigesetz tatunabhängige Kollektivstrafen «für alle, die sich an einer Veranstaltung aufhalten», ausgesprochen werden können.

Tom Locher (augenauf Bern) erzählte einen fiktiven Dialog zwischen Sicherheitsdirektor Nause und Regierungsrat Müller. Darin suchten sie nach Möglichkeiten im neuen Polizeigesetz, um die bürgerliche Ordnung vor den „linken Chaoten“ zu schützen. Da sie in jedem*jeder Berner*in einen potentiellen Chaoten ausmachten, beschlossen sie schliesslich, die ganze Stadt präventiv zu überwachen. Laut Polizeigesetz braucht es nämlich keinen Tatverdacht, um Personen zu observieren, was von den Gegner*innen des Polizeigesetzes kritisiert wird.

Béatrice Stucki, (Gewerkschaftsbund Stadt Bern, SP) wies darauf hin, dass die Kostenüberwälzung aufgrund des „Chilling Effekts“ das Grund- und Menschenrecht auf Meinungsäusserungsfreiheit und Versammlungsfreiheit verletzt: „Fachleute sehen in der Gebührenandrohung eine unzulässige Abschreckungswirkung und einen Einschüchterungseffekt bei der Ausübung unserer Grundrechte.“
Christa Ammann (AL Bern) führte zum Schluss der Kundgebung aus: „Das Gesetz bietet keinerlei Verbesserungen wie wirksame Massnahmen gegen Racial Profiling, keine unabhängige Beschwerdestelle bzw. Ombudsstelle und keine Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen, sondern nur Verschlechterungen für die Ausübung demokratischer Grundrechte. Schicken wir es am 10. Februar 2019 zurück an den Absender!“

Das Polizeigesetz-Nein-Komitee: AL Bern, augenauf Bern, djb – demokratische JuristInnen Bern, GaP Bern, GB Bern, grundrechte.ch, Grüne Kanton Bern, GSoA, JA! – Junge Alternative!, JUSO Kanton Bern, kriso Bern – kritische soziale Arbeit, Kritische Jurist*innen Fribourg/Bern, PdA / POP Bern, Radgenossenschaft der Landstrasse, Reitschule Bern, schäft qwant – transnationaler Verein für jenische Zusammenarbeit und Kulturaustausch, SP Kanton Bern, SP Stadt Bern, tif – Tier im Fokus