Kostenlose und professionelle Sprachkurse für die Integration der Geflüchteten in der Stadt Bern

Motion Zora Schneider (PdA)
Stadtratsitzung Bern vom 28. Juni 2018

Im Kanton Bern treten 2020 neue Asylgesetze in Kraft. Sie heissen «Neustrukturierung Asyl und Flüchtlingsbereich» NABE und «Kantonales Integrationsprogramm» KIP 2. Sie tragen bis jetzt die Handschrift der bürgerlichen Mehrheit im Kantonsparlament, d.h. sie beinhalten vor allem Verschärfungen und Sparmassnahmen. Die kantonale finanzielle Unterstützung von Sprachkursen soll gekürzt werden.

Neu sollen Asylsuchende nur noch bis zum Sprachniveau A1 finanziell unterstützt werden, was sie in sechs Monaten schaffen müssen. Dieses Sprachniveau reicht weder für den Eintritt ins Berufsleben, noch für eine Lehre oder ein Studium. A1 heisst, ganz einfache Sätze zu verstehen und einfache Fragen stellen zu können. Zudem wurden mehr Kontrollmechanismen verankert. Neu sollen mit den Geflüchteten Zielvereinbarungen ausgehandelt werden und, wenn diese nicht erreicht werden können, sollen Sanktionen möglich sein. Die Sozialhilfe und die Unterbringung werden von den Integrationsfortschritten abhängig gemacht. Das trotz neuen Studien, die zeigen, dass Sanktionen kontraproduktiv für die Integration sind.

Die neuen Gesetze werden das Ausmass der Freiwilligenarbeit in jedem Bereich der Integration verstärken, d.h. beim Spracherwerb, bei der Arbeitssuche, bei der Freizeitgestaltung und im sozialen Umfeld. Was heisst das? Der Kanton spart auf dem Rücken der Asylsuchenden und der Freiwilligen. Weil die Freiwilligen keine professionellen Lehrerinnen und Lehrer sind, werden darunter wieder die Sprachkenntnisse leiden. Ausserdem sollen Freiwillige nicht instrumentalisiert werden, um Leistungen abbauen zu können. Sie sollen selbst entscheiden dürfen, wie sie sich engagieren. Ein weiteres Problem von Sprachkursen, die durch Freiwillige geführt werden, ist ihre fehlende Konstanz und z.T. mangelnde Qualität. Ausserdem können weibliche Geflüchtete mit kleinen Kindern sie häufig nicht besuchen, weil keine Kinderbetreuung angeboten wird.

Das Erlernen einer Landessprache ist einer der wichtigsten Integrationsmechanismen überhaupt. Ohne genügende Sprachkenntnisse ist ein selbstständiges Leben in der Schweiz nicht möglich. Ob die kantonale Politik mit der Kürzung der finanziellen Unterstützung für den Sprachunterricht sparen kann, wie sie es anstrebt, ist in Frage zu stellen. Vielmehr ist mit Mehrkosten für Sozialhilfe und nachträgliche Integration zu rechnen, die in Zukunft zu einem grösseren Teil von den Gemeinden getragen werden müssen. Schon jetzt ist die Stadt Bern in Integrationsbereichen engagiert, die vom Kanton finanziell nicht genügend berücksichtigt werden und hat ergänzende Massnahmen erlassen, weil die Integration von Geflüchteten für ein gutes Zusammenleben notwendig ist. So hat die Stadt Bern Ende 2017 einen «Schwerpunkteplan 2018–2021 zur Umsetzung des Leitbildes zur Integrationspolitik» publiziert. Einer der Schwerpunkte ist die Förderung des Erwerbs von Deutschkenntnissen.

Neben den kantonalen und kommunalen Integrationsmechanismen gibt es auch diverse Beschäftigungs- und Beratungsangebote von anderen Organisationen, Kirchen, Freiwilligen und Betroffenen. Ein Überblick über diese Angebote, d.h. wie sie sich mit den staatlichen Strukturen überschneiden, wo sie sie ergänzen und welche Aufgaben genau von wem wahrgenommen werden, scheint zu fehlen. Die Infrastruktur für die Integration der Geflüchteten anzubieten, ist eigentlich eine Staatsaufgabe. Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, die Professionalität und Effektivität von Deutschkursen sicherzustellen und den Zugang für die Geflüchteten zu ermöglichen, muss

  1. ein Bericht erarbeitet werden, der einen genauen Überblick über die Akteure und Akteurinnen und ihre wahrgenommenen Integrationsmassnahmen gibt, und es
  2. müssen in Ergänzung zu den kantonalen Massnahmen von der Stadt Bern genügend kostenlose Sprachkurse für Geflüchtete angeboten werden, die ab dem ersten Ankunftstag von den Geflüchteten besucht werden können, professionell geführt sind, Kinderbetreuung anbieten und den Lernenden die Hinfahrt ermöglichen. Sie sollen bis zu einem Sprachniveau geführt werden, dass es den Geflüchteten erlaubt, selbstständig in der Stadt Bern leben zu können.

Begründung der Dringlichkeit
Im Moment werden von der Berner Verwaltung die Umsetzungsgrundlagen und -entscheidungen für den Schwerpunkteplan 2018–2021 der Stadt Bern erarbeitet. Es ist sinnvoll, die Motion während dieser Arbeiten zu behandeln.

Bern, 28. Juni 2018

Erstunterzeichnende: Zora Schneider
Mitunterzeichnende: Tabea Rai, Christa Ammann, Luzius Theiler

Die Dringlichkeit wird vom Büro des Stadtrats abgelehnt.