Lohn und Kostentransparenz in den privatisierten Altersheimen in der Stadt Bern

Motion Zora Schneider (PdA)
Stadtratsitzung Bern vom 31. Mai 2018

Artikel 41 der Kantonsverfassung verpflichtet den Kanton (und die Gemeinden), die medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und dafür die erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Im 2008 wurde die Neuordnung der Pflegefinanzierung auf Bundesebene beschlossen (Gesetz vom Jahr 2008, in Kraft seit 1.1.2011). Damals hatte man beschlossen, gewisse Sozialversicherungsgesetze abzuändern. Damit ist eine Verlagerung der Gesetzeskompetenz aber insbesondere auch die Finanzierung der Pflege vom Bund auf die Kantone übergegangen.
Die Subventionierung der öffentlichen städtischen Heime wurde gestrichen. In städtischem Besitz bleibt nur das Altersheim Kühlewil. Die städtischen Altersheime sind also in privater Hand und werden z.T. von internationalen Grosskonzernen, die sich auf die Pflege spezialisiert haben, geführt. In der Stadt Bern werden fünf Altersheime von der Senevita Stiftung geführt und elf Altersheime von Domicil, einer Aktiengesellschaft. Vor kurzem wurde in der Rundschau und mehreren Zeitungen über die katastrophalen Zustände in den Heimen der Senevita-Gruppe für die Pflegenden und für die Bewohnerinnen und Bewohner berichtet. Etwa ist der Personalbestand viel zu niedrig. So komme es sogar vor, dass die Heimbewohner stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen, bevor das Pflegepersonal dazu kommt, sich um die Personen zu kümmern. Solch menschenunwürdige Umstände sind in einem der reichsten Länder der Welt nicht akzeptabel. Die schlechten Löhne und der Stress der Mitarbeitenden führt dazu, dass viele Angestellte im Gesundheitswesen schon nach kurzer Zeit den Job wechseln. Resultat ist ein Fachkräftemangel. Der Kanton Bern will diesem Fachkräftemangel mit einer Studie des künftig zu erwartenden Pflegepotenzials von Familienangehörigen und Freiwilligen in der ambulanten Betreuung älterer Menschen entgegenwirken.1 Das Problem soll also in Zukunft auf die Familien und Freiwilligen abgeschoben werden. Es ist zu vermuten, dass die Pflege der Angehörigen mit der Zeit vor allem auf den Schultern der Frauen lasten wird. Die Inanspruchnahme professioneller Pflege in einem Heim wird den Vermögenden vorbehalten.
Ein weiteres Problem sind die Gewinnabschöpfungen der privatisierten Heime, die entweder auf Kosten des Personals passieren oder auf Kosten der Heimbewohner, die für ihren Aufenthalt mehr bezahlen müssen. Die Löhne des Personals und die Gewinne der Altersheimbetreiber werden dabei nicht offengelegt. Dies ist umso schlimmer, als die Heime Beiträge für Pflegeleistungen nach dem KVG erhalten. Das heisst, indirekt maximieren die Aktionäre dieser Aktiengesellschaften und die Betreiber dieser Heime ihre Gewinne durch Leistungen der Allgemeinheit. Es findet eine Privatisierung der Gewinne und eine Vergesellschaftung der Gesundheitskosten statt. Sowohl in der Regionalkonferenz Bern-Mittelland, die die kantonalen Leitlinien zur Bereitstellung des Grundbedarfs an Betreuungs- und Wohnplätzen umsetzt, als auch bei den kantonalen Bewilligungsverfahren kann die Stadt Bern Einfluss auf die Alterspolitik der Region nehmen. Das schreibt sie in ihrem Alterskonzept 2020.2 Das soll sie folgendermassen tun:

  1. Die Stadt Bern setzt sich für Lohn- und Kostentransparenz in den privaten Heimen ein.
  2. Die Stadt Bern setzt sich dafür ein, dass prekäre Anstellungsverhältnisse wie Personalverleih nur ausnahmsweise beansprucht werden.
  3. Die Stadt Bern setzt sich dafür ein, dass die Gewinne der Betreiber ausgewiesen werden müssen.
  4. Die Stadt Bern setzt sich dafür ein, dass die Angestellten einen einheitlichen GAV erhalten.
  5. Die Stadt Bern sorgt dafür, dass die Berichte des Kantons, die er bei seinen Qualitätskontrollen im Fünfjahrestakt erstellt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
  6. Die Stadt Bern berichtet dem Stadtrat über Erfolg oder Misserfolg seiner Bemühungen.

Zora Schneider, 31. Mai 2018

1 Alterspolitik im Kanton Bern 2016, Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat. S.33.
2 http://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/stadtverwaltung/bss/alters-undversicherungsamt/alter/publikationen-bereich-alter/publikationen-bereich-alter-1/bss-ava-alterskonzept-18012012-web.pdf