Missstände im Einbürgerungsverfahren

Motion Fraktion AL/GPB-DA/PdA+ (Daniel Egloff, PdA): Missstände im Einbürgerungsverfahren beheben!

Wortmeldung von Zora Schneider (PdA) an der Stadtratsitzung in Bern vom 3. März 2018.

Die Motion meines Vorgängers will die Wartedauer für eine Einbürgerung in der Stadt Bern auf sechs Monate verkürzen. Es gibt dafür gute Gründe:

Wie eine vom Nationalfonds unterstützte Studie der Universitäten Zürich, Stanford und Mannheim zeigt, darf die Einbürgerung nicht als Auszeichnung für eine gelungene Integration betrachtet werden, sondern es ist genau umgekehrt. Je weniger lange die Einbürgerungswilligen in Unsicherheit warten müssen, desto schneller integrieren sie sich.

Das führt zu weniger Kosten für die Allgemeinheit, weil die Betroffenen weniger stigmatisiert sind und dadurch mehr Hoffnung und Tatkraft haben. Im Prinzip könnte man den Inhalt dieser Motion also als Sparmassnahme bezeichnen. Diesmal zu Gunsten aller Beteiligten. 

Für die Einbürgerungswilligen stellt ein schnelles Einbürgerungsverfahren eine Erleichterung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche dar. Sie lesen mehr Schweizerische Zeitungen, sind häufiger in Vereinen aktiv und nehmen ihre demokratische Verantwortung wahr.

Gerade bei der schweizweiten gesetzlich verankerten Hilfe für Diskriminierungsbetroffene und der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist die Schweiz sehr stark im Hintertreffen gegenüber anderen europäischen Ländern. Auch deshalb ist es besonders wichtig, dass sich die Wartefristen bei der Einbürgerung verkürzen.

Die Einbürgerungswilligen haben schon jahrelanges Warten hinter sich, ihre Papiere sind in Ordnung. Es ist ungerechtfertigt, ihnen eine erneute jahrelange Wartefrist aufzuerlegen.
Auch aus rechtsstaatlichen Gründen sollten wir diesen Missstand beheben: In der Kantonsverfassung ist verankert, dass Gesuche innerhalb angemessener Frist bearbeitet und erstinstanzlich entschieden werden sollten. Der Rückstand führt zu langen Wartefristen von bis zu zwei Jahren. Das ist nicht mehr angemessen.

In der Antwort des Gemeinderats auf diese Motion von 2016 heisst es, dass die 662 in der Stadt Bern hängigen Gesuche in einem Jahr um 100 Stück reduziert werden konnten und weiter reduziert werden. Man hat die Rückstände also bereits ein bisschen abbauen können. Auf Anfrage sagte man mir beim Polizeiinspektorat, es seien heute noch 291 Gesuche hängig. Es scheint eher langsam voran zu gehen. Zusätzlich zur ordentlichen Gesuchsbearbeitung müssen seit vier Wochen ausserdem vom Bürgerrechtsdienst neue, komplexe Formulare mit sehr hohem Beratungs- und Erläuterungsaufwand ausgefüllt werden. Das ist auf neue kantonale und nationale Gesetzgebung zurückzuführen. Dieser Aufwand belastet und verlangsamt den Bürgerrechtsdienst jetzt zusätzlich.

Angesichts der Anzahl hängiger Gesuche und der damit verbundenen auferzwungenen zermürbenden Unsicherheit für die Betroffenen, appelliere ich an euch, die Situation der Betroffenen zu beachten und für diese Motion zu stimmen.

Dabei ist festzuhalten: Der Motion kommt nur der Charakter einer Richtlinie zu. Der Gemeinderat hat viel Freiheit in der Umsetzung. Ich finde es sehr wichtig, dass wir den Beschluss für die Verkürzung der Wartedauer jetzt treffen und danke euch für die Unterstützung!