RÜCKTRITT AUS DEM STADTRAT

Orte mögen wechseln, heute Bern, morgen Basel, Aufgaben sich wandeln, Zusammenhänge sich verändern – der Mittelpunkt bleibt. Oder etwas anders und flapsiger formuliert: 8 Jahre Stadtrat – und kein bisschen müde und kein bisschen weiser. Mein Dank gilt allen, die so was möglich machen und mich immer – in guten und in bleiernen Zeiten – unterstützt, die mitgetragen und mitgestritten haben. Ich habe in den acht Jahren als Stadtrat erfahren, dass auf wenig Verlass ist – nicht einmal auf das Stadtratsreglement. Mein Dank gilt zuvorderst meiner Partnerin, meinen Söhnen, meinen Eltern und den Genossinnen und Genossen der Partei der Arbeit.

Als der „Marsch auf Bern“ nicht nur düstere Erinnerungen wachrief, sondern auch breiten und erfolgreichen Widerstand, als der Häuptling am Bärengraben mit seinem Zottel stecken blieb und die Glatzen nur noch blöd glotzten – da kannte die konzertierte Reaktion innerhalb und ausserhalb des Stadtrats kein Halten mehr. Die Anfälle von Feigheit und Niedertracht, die auch nach dem Ende des Kalten Krieges vom Gespenst des Kommunismus und der Revolte ausgelöst werden – diese Anfälle und Übergriffe steckt keiner weg, der nicht solidarische Menschen an seiner Seite weiss. Und hier im Rat wusste ich Daniele Jenni und Urs Frieden an meinen Seiten. Ich weiss, wie viel das zu dieser Zeit wert war.

„Wenn es dein Ehrgeiz ist, dass keiner deiner Vorstösse eine Chance hat, dann kann ich das akzeptieren.“ Noch in lebendiger Erinnerung sind mir die Worte des ehemaligen Stadtratspräsidenten Res Zysset. Nein: So hat die Partei der Arbeit ihr Stadtratsmandat nie verstanden. Für ein bisschen Bürgerschreck und Politik-Happening hätte sich der Aufwand während all dieser Jahre nicht gelohnt. Die Partei der Arbeit ist schliesslich angetreten, um konkrete politische Veränderungen anzuregen im Interesse der Menschen, die nicht auf Rosen und Aktien gebettet sind. Wir haben Vorschläge gemacht – und teilweise wurden sie sogar angenommen. „Jedem Kind ein Instrument“, „Spielplätze für den Breitensport“, „Mühleberg stilllegen – und zwar sofort!“, „Gratis-ÖV für Menschen in Aus- und Weiterbildung“: Das sind keine ideologischen Scharmützel, das sind Forderungen im Interesse der grossen Mehrheit der Bernerinnen und Berner. Und wenn sich diese Anliegen mit der reglementarischen Form schwer taten, war Verlass auf das Ratssekretariat. Für diese Form des Mitdenkens danke ich Daniel Weber und seinem Team ganz herzlich.

Einige unserer Vorstösse fanden im Stadtrat eine Mehrheit, ihre Umsetzung scheiterte jedoch teilweise an den Verhältnissen: an den realen Machtverhältnissen, die sich durch die Debatten und Beschlüsse dieses Rats nur sehr bedingt beeinflussen lassen. Das Erstaunen meinerseits war mässig. Umso erfreulicher, dass die Opposition der Partei der Arbeit gegen Budgetkürzungen bei der Volkshochschule, bei der Aufgabenhilfe und den Kita- und Tagi-Küchen auf der gegenüberliegenden Ratsseite Unterstützung fand. Von unheiligen Allianzen wurde gemunkelt. Die Partei der Arbeit lässt das ziemlich kalt. Niemand, keine Partei in dieser Stadt hat das Wohl des Volks gepachtet. Jeder Verstoss gegen die Interessen der Menschen, die hart arbeiten und sich wenig leisten können, wird auf unseren Widerstand treffen – und wir werden uns von niemandem vorschreiben lassen, wer uns unterstützen darf.

Daran wird sich mit meinem Abgang nichts ändern. Wir leben in finsteren Zeiten – ich habe den Eindruck, schon bessere, hoffnungsvollere erlebt zu haben. Das Beharren auf einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung ist in unseren Breiten nicht unbedingt massentauglich. Die Alternative dazu ist aber auf die Dauer nicht lebbar: Der Wahnsinn der Profit-Wirtschaft bietet eine Perspektive bloss für die Eliten, für das berühmte eine Prozent und für jene, die sich ihm andienen. Gerade aus diesem Grund schlangen wir als KommunistInnen keine Möglichkeit aus, die Widersprüche zu entfalten und den Widerstand zu stärken. So sitzt dann halt einer am Donnerstagabend im Rathaus – und steht am Samstagnachmittag auf der Strasse. Beides hat seinen Preis. Ich konnte mir diesen Preis leisten. Zu bereuen gibt es da nichts. Darum teile ich
auch den Optimismus des Dichters Bertolt Brecht und sein Lob der Dialektik: „Aus Niemals wird: Heute noch!“ In diesem Sinn: nicht adieu! In diesem Sinn: Der Kampf geht weiter.

Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 26. März 2015 pdf