WOHNUNGSPLANUNG IN BERN: UND WER SOLL DAS BEZAHLEN?

Interfraktionelle Motion GB/JA!, SP (Stéphanie Penher, GB / Rithy Chheng, SP): Gemeinnützige Wohnungen auf dem Mittel- und Viererfeld
Intervention der PdA an der Stadtratssitzung vom 16.10.14

Die Partei der Arbeit wird das Überbauungsprojekt Mittel- und Viererfeld ablehnen – so oder so. In der Vernehmlassung haben wir preisgünstige Wohnungen verlangt. Und zwar zu 100 %. Und heute unterstützen wir die Forderung der Interfraktionellen Motion nach mind. 50 % an bezahlbarem Wohnraum in der Überbauung auf dem Mittel- und Viererfeld. Das scheint jetzt sehr widersprüchlich zu sein. Und das ist es auch. Um aber sozialen Wohnungsbau und soziale Stadtplanung in dieser Stadt überhaupt wieder zu beleben, braucht es eine Zuspitzung der Widersprüche.

Die Stadt Bern scheint im Moment unfähig – oder nicht gewillt, namhafte Schritte in Richtung einer sozial verantwortlichen und verträglichen Stadt- und Wohnungsplanung zu unternehmen. In eigener Regie aufgegleiste Projekte wie die geplanten Baumzimmer im Lorrainequartier oszillieren zwischen architektonischen Leuchtturm-Träumen und sozialpolitischem Dilettantismus. Mit Wankdorf-City scheint einzig die Aspiration verbunden zu sein, als treuer Diener grosser Herren ein exklusives Büro-Ghetto zu ermöglichen. Auf diesem Hintergrund entbehrt es nicht einer gewissen Logik, das Gaswerkareal in der Generalplanung gleich dem potentesten und einflussreichsten Player am Platz zu überlassen, zumal letzterer sich Nachhaltigkeit ja längst am grünen Markt eingekauft hat. 

Dass der Stadt Bern jegliche städtebauliche und -planerische Kompetenz abhanden gekommen ist – die Geschichte dieses geplanten Verhängnisses wäre aufzuarbeiten, um ökonomische Interessen, politische Mechanismen und Verantwortlichkeiten klar zu lokalisieren und sich für die zukünftige Planung schlau zu machen. Aktuell scheint daran weder RotGrünMitte ein Interesse zu haben noch das bürgerliche Lager. So bleibt uns eben aktuell nichts anderes übrig, als weitere Fehlplanungen zu verhindern. Wenn das Zauberwort „Wachstum“ mit Fortschreiten im Falschen übersetzt werden muss, dann ist Widerstand innerhalb und ausserhalb des Stadtrats Pflicht.

Es braucht in Bern bezahlbare Wohnungen. Über den Schmusekurs der Stadt mit Investoren sind die nicht zu haben. So mutet es auch äusserst befremdlich an, wenn der Gemeinderat in seiner Antwort uns wissen lässt, dass er eine „durchmischte Bewohnerschaft“ „hauptsächlich mit Miet- und Eigentumswohnungen“ anzupeilen gedenkt. So darf dann seine Folgerung auch nicht erstaunen, dass 50 % der Fläche zugunsten gemeinnütziger Wohnbauträger „als zu hoch und für die soziale Vielfalt im Quartier auch nicht notwendig“ erachtet würden. Etwa so frei nach dem Motto: Lassen wir uns doch die Investoren und Eigentumswohnungsinteressenten nicht vergraulen! Gentrifizierung der etwas anderen Art: nämlich schon bei der Neubauplanung.

Es braucht in Bern bezahlbare Wohnungen. Allein über die Förderung von Genossenschaftswohnungen sind sie nicht zu haben. Solche Wohnungen stellen nur für ein begrenztes Publikum eine Option dar: aus finanziellen und kulturellen Gründen, auf Grund des Alters und erzwungener Mobilität. Wohnen ist ein allgemeines Bedürfnis – ein Grundbedürfnis, wie wir in der Schule lernen. Wohnungsbau ergo als Service Public? Wer schreit denn da Utopie? Historische Beispiele kennen wir. Mächtige Interessen stellen sich dem entgegen. So ist auch der Gemeinderat gewillt, auf den gewohnten Pfaden zu wandeln und der profitablen Zerstückelung der Stadt möglichst wenige Steine in den Weg zu legen. Schon die Forderung nach 50 % an gemeinnützigem Wohnungsbau auf dem Viererfeld schreckt ihn da auf. Die Partei der Arbeit will ihm diesen Schrecken nicht ersparen. Gehen wir jedoch noch einige Schritte weiter – und malen wir das Gespenst an die Wand: das Wohnungswesen als Service Public!

Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 16. Oktober 2014 pdf