Dringliche Motion Fraktion GB/JA! (Lea Bill, JA!/Leena Schmitter, GB):
Unabhängige Untersuchung zum Polizeieinsatz am Tanz dich frei / Dringliche Motion Christa Ammann (AL): Unabhängige Untersuchung zum Polizeieinsatz am Tanz dich frei – ergänzende Fragen
Intervention der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 12.9.13
Der Gemeinderat will keine unabhängige Untersuchung. Das haben wir gut verstanden. Ist ja auch kein Wunder, wenn der Sicherheitsdirektor sich als zuverlässiges Sprachrohr der Polizei und ihrer politischen Einschätzungen bewährt hat – ganz unvorbelastet von den so beliebten Unterscheidungen zwischen strategischen Entscheidungen und operativer Ausführung. Wer seit Police Bern den Tarif durchgibt? Hören wir auf mit den rhetorischen Fragen! Und nehmen wir zur Kenntnis, dass hier ein sicherheitspolitisches Definitionsmonopol entstanden ist, das gewählte politische Instanzen nach seiner Pfeife tanzen lässt.
Der Gemeinderat braucht keine unabhängigen Blicke, scheint er doch genau zu wissen, was er macht – und in wessen Mandat. Ist auch kein Wunder, wenn der Herr Sicherheitsdirektor und andere selbsternannte Sicherheitsspezis regelmässig den Kontakt suchen zu den Medien und diesen ja auch erhalten – bevor die Parlamentstrottel etwas zu Gesicht kriegen. Das ist jetzt die politische Kultur, die ein Sicherheitsdirektor pflegt, der sich zu Höherem bestimmt sieht: zum Retter des Vaterlands vor dem drohenden Chaos.
Dem Gemeinderat käme eine unabhängige Abklärung der politischen und polizeilichen Machenschaften rund um „Tanz dich fei drei“ echt ungelegen, solange er einem Sicherheitsdirektor die Treue halten will, welcher bei der Verfolgung seiner politischen Ziele rechtsstaatliche Gepflogenheiten bloss als hinderlich empfinden muss. Seine Strategie der Abschreckung pfeift auf Unschuldsvermutung und Beweispflicht und verlagert die Bestrafung ins gerichtliche Vorfeld. Ob nun Verlängerung des Polizeigewahrsams oder Internetpranger: Wer einmal in diese Mühle gerät, hat ein echtes Problem. In der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz. Und wer wird dann schliesslich rechtskräftig verurteilt? Wen interessiert das denn schliesslich noch?
Der Gemeinderat braucht keine Kontrolle. Der Leistungsausweis seines Sicherheitsdirektors spricht ja doch für sich. Setzen Sie die Anzahl Fotos der Internetdenunziationskampagne ins Verhältnis zu den Informationen, die gerichtsverwendbar sind – und zu den „Kollateralschäden“, die durch diese Form des modernen Prangers ausgelöst worden sind. Mögen auch Pranger und öffentliche Aufrufe zur Denunziation in die rechtsstaatliche Schmuddelecke gehören – Blockwart Nause stösst sich nicht gross daran, Blockwart Nause ist schliesslich effizient.
Bei der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung geht es nicht ums Erbsenzählen und gegenseitiges Aufrechnen. Es kann nur darum gehen, wenigstens einen kleinen Teil der Kontrolle über jene politische Ebene zurückzuerlangen, die sich hinter den angeblich rein operativen Entscheiden verbirgt. Wer wen? Entweder gibt die Politik den Weg vor, dem die Polizei zu folgen hat. Oder die Polizei definiert die politische Gefahrenlage und führt die Politik an der Leine. Mit unserem aktuellen Sicherheitsdirektor ist Letzteres vorprogrammiert. Es stellt sich also im Hinblick auf die politischen Folgeschäden nach dem 25.5.13 die legitime Frage, ob wir uns das leisten können: diese Kantonspolizei und diesen Sicherheitsdirektor.
Die Partei der Arbeit hatte den jetzigen Sicherheitsdirektor bereits bei seiner ersten Gemeinderatskandidatur im Blick – und sie hat seine Wahl favorisiert unter dem Motto: „Nause ist billiger!“ Diese Einschätzung hat sich bestätigt. Allerdings: Billiger geht es jetzt wirklich nimmer. Wer hat Angst vor einer unabhängigen Untersuchung? Die beiden vorliegenden Motionen lassen sich in der gemeinderätlichen Interpretation als äusserst unverbindliche Richtlinien bequem aussitzen. Das hat mit dem politischen Sinn des parlamentarischen Instruments Motion zwar nicht mehr allzu viel zu tun. Aber: Wen wundert das noch?
Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 12. September 2013