SCHLUSS MIT DER DIFFAMIERUNG VON „TANZ DICH FREI“!

Interpellation Fraktion SVPplus (Roland Jakob, SVP): Tanz dich frei, auf Gesetze pfeif ich! / Interpellation Fraktion SVPplus (Roland Jakob, SVP): Tanz dich frei, aber bitte ohne Sauerei! / Interpellation Alexander Feuz (FDP): „Tanz dich frei“: Gelunge-ne Berner Street-Parade – „bottellón“, Demonstration oder blosses Ärgernis? Was zieht der Gemeinderat für Konsequenzen für die Zukunft?
Intervention der PdA an der Stadtratssitzung vom 25.04.2013

Die Wortkombination “Tanz dich frei“ scheint eine fast schon magische Wirkung ausgelöst zu haben – auch hier im Stadtrat. Das erkennen wir an der Menge der entsprechenden Vorstösse. Noch deutlicher wird das aber, wenn wir uns die vorliegenden Interpellationen genauer ansehen und die Antworten des Gemeinderats. Wer so aufschreit, muss am 2. Juni 2012 aber gewaltig traumatisiert worden sein, da muss für einige Stadträte eine Welt eingestürzt sein.

Und vielleicht liegen diese Stadträte ja auch gar nicht so falsch. So üblich ist es ja auch in dieser Stadt nicht, dass der öffentliche Raum für etwas anderes in Anspruch genommen wird als den Gang zur Arbeit oder zur durchkommerzialisierten „Freizeit“. Und wenn dieser Raum dann doch einmal etwas anders genutzt werden soll, sind wir es gewohnt, dass erst einmal über das Budget diskutiert werden muss. In diese geordnete und verordnete Welt brach „Tanz dich frei“ herein wie aus einer anderen Zeit und von einem anderen Ort: als Utopie – oder eben als Alptraum.

Und da einmal in dieser Welt nicht sein kann, was nicht sein darf, wehren die Interpellanten halt schon der Anfänge mit Diffamierung, Verteufelung, Ausgrenzung, Kriminalisierung: „Sauerei“, „botellón“, „auf Gesetze pfeif ich!“ – so tönt es schon aus dem fett Gedruckten. „Demonstration oder blosses Ärgernis?“ Wer so fragt, der trauert doch offensichtlich schon ein bisschen den guten alten Demonstrationen nach. Denn da wusste man ja wenigstens noch, woran man war und wie zu verfahren war. Werden die Dinge etwas komplizierter, dann reduziert man sie am besten auf schon Bekanntes. Es bleibt dann unter dem Strich nichts übrig ausser Dreck, Suff, Gewalt. Und anschliessend kann man ja getrost zur Tagesordnung übergehen.

In dieses Spiel der Reduktion komplexer gesellschaftlicher Prozesse auf das Niveau von Dreck und Suff und Gewalt geht auch der Gemeinderat ein. Leider. Man lese seine Zusammenstellung der Gesetzesverletzungen, begangen am 2. Juni 2012. Die pauschale Form, wie hier „Tatbestände“ aufgeführt werden, lässt den Eindruck aufkommen, Bern sei im letzten Juni direkt am Rand eines Bürgerkriegs gestanden: Sachbeschädigung, Körperverletzung, Sprengstoffvergehen. Wer auf diese Art informiert, der betreibt – willentlich oder naiv – das Geschäft der Scharfmacher. Wenn so etwas nicht das erste Mal geschieht und wenn durch verbales Anheizen schon mehrere brenzlige Situationen entstanden sind, dann stellt sich für die Partei der Arbeit Bern auch die Frage, ob diese Stadt sich diese Art von „Sicherheitspolitik“ noch leisten kann.

Der 2. Juni war laut und vielfältig, ein Konzert aus vielen unterschiedlichen Stimmen. Da kann man hinhören und sich einfach freuen. Da kann man auch zuhören und sich fragen, was diese so schön verschiedenen Stimmen denn mitzuteilen haben. Da diese Chance offensichtlich einige unter uns verpasst haben, ist es tröstlich zu wissen, dass uns schon bald wieder eine neue Gelegenheit geboten wird. So müsste soziales Lernen doch eigentlich Spass machen!

Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 25. April 2013 pdf