Der Staatsschutz singt vor – der Gemeinderat betet nach!

Interpellation Rolf Zbinden (PdA): Koordinierte Strafaktion gegen Anti-WEF-Demonstration – Was ist das demokratische Recht auf freie Meinungsäusserung noch wert?
Antwort der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 6.9.2012

Da ist am 21. Januar 2012 eine Rechnung sauber aufgegangen! Von der medialen Einstimmung über die repressive Umsetzung bis zur triumphalen Auswertung ist uns eine nahezu perfekte Inszenierung geboten worden. Und nichts lässt uns daran zweifeln, dass der aktuelle Sicherheitsdirektor, sein Nachfolger, PoliceBern und der Staatschutz sich auf diesen Lorbeeren ausruhen werden.

Am Anfang stand die Verteufelung der Demonstration, noch bevor sich ein Bein in Bewegung gesetzt hatte. Der Trick ist ja so einfach wie auch Erfolg versprechend: Denn Zeugen vom Hörensagen sind allemal so verfügbar wie unüberprüfbar. Der Gemeinderat erwähnt in seiner Antwort „anonyme E-Mails“ mit verbalradikalen Inhalten. Aber gehörte es nicht zur Spezifik anonymer Botschaften, dass sie allen oder keinem – oder eben jenem Adressaten untergeschoben werden können, den man im Visier hat? Oder etwas hemdsärmliger formuliert: Ein Idiot findet sich immer – vor jeder Demonstration, vor jedem Fanwalk und auch vor jedem Fussballspiel. Da scheint der Sicherheitsdirektor ja endlich die Spezies gefunden zu haben, mit der sich „echte“ Sicherheitspolitik machen und auch legitimieren lässt: Endlich weg von der Kuscheltour gegenüber all den Demonstrierenden und Fussballfans, hin zum flotten Ein- und Durchgreifen. Dass sich dabei eine politische Amtsperson zum Transformationsriemen des Staatsschutzes degradieren lässt – das sind Risiken und Nebenwirkungen, die vielleicht den Sicherheitsdirektor nicht jucken. Für die Partei der Arbeit ist diese Art der Aushebelung demokratischer Kontrolle nicht tolerierbar.

Das Aufgebot war imposant. Die Ausrüstung Ehrfurcht erweckend. Der Auftritt markig. Eine Exhibition repressiver Möglichkeiten. Und ein solcher Apparat muss dann auch gefüttert werden. Wenn die Demonstrierenden das Spiel der Eskalation nicht mitmachen, bleibt dann halt nichts anderes übrig, als aus einer Mücke einen Elefanten zu machen: aus einem Schal Vermummungsmaterial, aus einem Transparent eine akute Gefahr für die öffentliche Sicherheit, aus einer Spraydose eine Waffe.

„Während und nach der Umstellung des Umzugs durch die Polizei, wurden seitens der Kundgebungsteilnehmenden verschiedene Knallkörper und vereinzelt auch Leuchtpetarden gezündet und weitere Gegenstände in Richtung Polizei-kräfte geworfen.“ Ein solcher Satz aus der Antwort des Gemeinderats verdient ein besonderes Interesse. Wird damit doch nichts weniger als der Tatbestand des „Landfriedensbruchs“ beschworen! Was meint der Satz denn aber genau? Dass „Knallkörper und vereinzelt auch Leuchtpetarden gezündet“ worden sind? Und was wurde dann geworfen? „Andere Gegenstände“. Und welche denn eigentlich? Und weshalb denn eigentlich dieses ominöse „andere“? Dieser eine Satz suggeriert ganz klar, dass die „Knallkörper und vereinzelt auch Leuchtpetarden“ „in Richtung Polizeikräfte geworfen“ worden sind. Was aber niemand bestätigen wird, weil es niemand bestätigen kann! Suggerieren, ohne sich festzulegen: Das ist billige Demagogie.
Es ist immer wieder amüsant, Leuten zuzuhören, die erstens von einer verhandelten Sache keine Ahnung haben und zweitens ihren ganzen Ehrgeiz ins Nachplappern machtgestützter Souffleure setzen. Auch der Bericht über die „Abarbeitung“ der Demonstrierenden mit vielen groben – aber auch sehr subtilen – Schikanen ist hierfür ein eindrückliches Beispiel. Dass den Gemeinderat diese Behandlung gar nie interessier hat, erfahren wir aus seiner Antwort. Da wird mit viel Empathie eine Holzverschalung erwähnt, die der Massivität der Verhaftungen nicht gewachsen war. Dieses Konstrukt war erstens schlicht überflüssig und zweitens reiner Pfusch: Da waren teure Deppen am Werk. Aber die Verköstigung der Arretierten war doch so was von human? Auf alle Fälle war sie inspirierend. Preisfrage: Wie stosse ich mir mit hinter dem Rücken gefesselten Händen einen Getreideriegel rein? Das wird dem Gemeinderat sicher erklärt werden. Frau Mader nahm ja einen Augenschein – und verweigerte dabei den Eingeschlossenen jede Beachtung, jedes Gespräch, jeden Respekt. Wie gesagt: eine perfekte Inszenierung.

An weiteren Anwendungsfeldern für seine Interventionsdoktrin wird es dem Sicherheitsdirektor auch in nächster Zeit kaum fehlen. Wetten, dass auch Veranstaltungen wie die Antikuschel-Demo jede Menge anonymer Brachialschwätzer in den unterschiedlichsten Internetforen mobilisiert. Und die Getreideriegel können dann schon mal besorgt werden, da das Ablaufdatum ja eh keine Rolle spielt.

Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 6. September 2012