Ersatzneubau Siedlung Stöckacker Süd, Bethlehemstrasse 151-191g, Bern; Kredit (Abstimmungsbotschaft)
Intervention der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 21.6.12
Man sollte sich auch durch Leuchttürme besser nicht blenden lassen. Und einfach einmal nachrechnen. Soweit dies die gelieferten Zahlen überhaupt ermöglichen. Was dann ausser Frage steht: 106 günstige Wohnungen sollen verschwinden. An einen Ersatz im vergleichbaren Preissegment ist aber nicht zu denken und auch nie gedacht worden. „Neue Wohnungen mehrheitlich zu moderaten Preisen“ – so unverbindlich soll das dann den Stimmbürgerinnen und -bürgern schmackhaft gemacht werden. Bezüglich der Preisgestaltung für die neu geplanten 146 Wohnungen erfahren wir konkret nur die „Richtpreise“ netto von einigen Beispielen. Wir erfahren zwar recht viel und en détail über „Komfortlüftung“ und „Integrierte Wasser- und Biomassennutzung“, aber recht wenig über das konkret zu erwartende Angebot – und seinen konkreten Preis für Mieterinnen und Mieter. Ist das blosser Zufall? Da fehlt mir denn der Glaube.
Aber bei Leuchttürmen sind solche Fragen, die sich die Partei der Arbeit zu stellen wagt – ja: stellen muss, offenbar fehl am Platz. Die Erhaltung von günstigen Wohnungen – und im aktuellen Fall von Stückacker Süd geht es um immerhin 106 solcher Wohnungen – hat zurückzutreten hinter eine wahre städtebauliche „Pioniertat“: Geht es doch um nichts Geringeres als um die „Aufwertung“ eines ganzen Quartiers. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Rot-Grün macht sich stark für die „Aufwertung“ eines traditionsreichen ArbeiterInnenquartiers. Wer taxiert denn hier bitte den Wert eines solchen Quartiers? Hier treffen sich sozialtechnokratische Harmonievorstellungen mit architektonischen Gestaltungsillusionen. Wird höchste Zeit, dass die Definitionshoheit darüber, was „wertvolle“ Quartiere und „zeitgemässe Wohnstandards“ und eine „gute Durchmischung“ der Bevölkerung ausmacht, zurückerobert wird – und zwar von den direkt Betroffenen.
Aber nicht nur die direkt betroffenen Mieterinnen und Mieter haben hier keine Wahl. Auch unsere heutige Abstimmung und die Volksabstimmung vom Herbst werden zur Farce. „Sofern die Stimmberechtigten den Baukredit ablehnen“, müsste „zur Realisierung des Projekts das Bauprojekt Stöckacker Süd an eine Investorin oder einen Investor verkauft werden. Investorinnen und Investoren müssten gemäss Überbauungsordnung die gleiche Siedlung mit den entsprechenden Auflagen realisieren. Einzig die Mietzinse könnten sich massiv erhöhen. Auf diese hätte die Stadt dann keinen Einfluss mehr.“ Unter diesem Damoklesschwert kann von freier Willensbildung keine Rede mehr sein – hier geht es um politische Erpressung. Und wer das heute brav schluckt, braucht sich dann bitte sehr morgen nicht larmoyant zu beschweren!
Die PdA Bern hat auf Grund genau dieser grundsätzlichen Einschätzung einen Antrag auf Nichteintreten gestellt. Da uns diese Möglichkeit ein weitere Mal aus juristischen Gründen abgesprochen worden ist, stellen wir einen Antrag auf Rückweisung: Die Vorlage ist an den Gemeinderat zurückzuweisen mit dem Auftrag, eine Vorlage zu erarbeiten, die garantiert, dass der Ersatzneubau mindestens die gleiche Anzahl preisgünstiger Wohnungen aufweist, wie durch den Rückbau der bestehenden Siedlung verloren gehen. Diese Forderung ist so bescheiden, dass wir fast schon erröten müssen. Angesichts der Fraktionen übergreifenden Absicht, die Anzahl günstiger Wohnungen in der Stadt Bern weiter zu reduzieren – angesichts dieser konzertierten Aktion von Rot-Grün-Mitte-Rechts geht es darum, wenigstens ein Zeichen zu setzen: für den Erhalt günstiger Wohnungen – gegen die Vertreibung von Mieterinnen und Mietern mit niedrigen Einkommen. Und genau darum geht es in dieser Vorlage!
Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 21. Juni 2012 pdf