SOZIAL- UND SICHERHEITSDUMPING AUF DER BAUSTELLE DER BERNER KEHRICHTVERBRENNUNGSANLAGE

Dringliche Interpellation Rolf Zbinden (PdA):
Entgegnung der PdA Bern auf die Antwort des Gemeinderats, 17.11.2011

Dumpinglöhne, menschenunwürdige Unterbringung der Beschäftigten, rechtlose Arbeiter, skandalöse Arbeitsbedingungen. Ich zitiere hier nicht etwa aus „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ von Friedrich Engels über die Blütezeit des Manchester-Kapitalismus. Unsere schöne neue Arbeitswelt liefert uns da genug Beispiele: „Praktisch alle Firmen betreiben Lohndumping“, titelt die Sonntagszeitung vom 6. November 2011 einen Bericht über die Eisenlegerbranche. Da es sich bei diesen Missbräuchen nota bene um Verstösse gegen den Landesmantelvertrag handelt, der vom Bundesrat allgemein verbindlich erklärt worden ist, ist auch die Politik direkt gefordert. Wer nun aber angesichts solch weit verbreiteter krimineller Machenschaften den Tölpel mimt und von allem nichts gewusst haben will, wird ganz sicher auch in Zukunft nicht handeln – und damit den Gaunergeschäften Vorschub leisten.

Wenn solche Missstände auch bei Bauvorhaben von Betrieben der Öffentlichen Hand sich ausbreiten, dann sollte das eigentlich nicht nur rot-grüne Exekutiven und ParlamentarierInnen zu einer deutlichen Antwort veranlassen. Wir erwarten ein klares und für alle Unternehmen und Subunternehmen und Subsubsubunternehmen unmissverständliches Nein zu buchstäblich beschissener Arbeit! Wer sich jedoch der Hoffnung hingibt, dass solche Skandale sich aussitzen lassen, weil sie ja sowieso nur Menschen betreffen, die politisch hier nichts zu melden haben – wer so kalkuliert, der könnte sich noch wundern, wie rasch die politische Agenda so richtig durcheinander gerüttelt werden kann. Das bisschen Hokuspokus mit „flankierenden“ und anderen vertröstenden Massnahmen wird dann wohl bei nächster Gelegenheit nur noch ein müdes Lächeln auslösen.

Die Partei der Arbeit hat nie daran gezweifelt, dass für die Baustellen von ewb ein Sicherheitsgesamtkonzept (SiGeKo) vorliegt. Auch haben wir zu keinem Zeitpunkt unterstellt, ewb würde offen und mit Absicht gegen geltende Gesamtarbeitsverträge verstossen. Bei einem gehäuften Auftreten von Missständen auf Baustellen von stadt- und staatseigenen Betrieben stellt sich allerdings schon die Frage nach der Verlässlichkeit der aktuellen Selbst-Kontrollmassnahmen, verdanken wir Aufklärung doch in der Regel der Intervention der Gewerkschaften, die sich nicht durch jedes billige Angebot zum „Gespräch“ abwimmeln lassen. Uns beschäftigt auch nicht in erster Linie, dass – wie der Gemeinderat schreibt – „Verdachtsmomente und Vorwürfe bezüglich Sozial- und Sicherheitsdumping auftreten“ können. Viel bedenklicher ist, wenn solche Verdachtsmomente und Vorwürfe erst gar nicht auf den Tisch kommen, weil die direkt Betroffenen sich nicht wagen, weil sie es sich gar nicht leisten können, die Realität ihrer Arbeitswelt an die Öffentlichkeit zu bringen.

„Leider ist es auch so, dass auch in der Schweiz eine zunehmende Tendenz an Sozial- und Sicherheitsdumping feststellbar ist.“ Dieser Einschätzung des Berner Gemeinderats gibt es nicht viel beizufügen. Es ist also noch viel zu tun, wenn wir dem ökonomischen Freibeutertum wirklich einen wirksamen Riegel schieben wollen. Wir nehmen die differenzierte und engagierte Antwort des Gemeinderats ernst. Wir sehen sie als Zeichen: gegen Sozial- und Sicherheitsdumping, für die elementaren Rechte der Arbeitenden.

Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 17.11.2011 pdf