Entgegnung der PdA Bern auf die Antwort des Gemeinderats, 26.5.2011
Die PdA Bern würdigt die sprachlich sorgfältige Abfassung der Antwort des Gemeinderats. Diese weist auf ein Problem hin, das tatsächlich symptomatische Dimensionen aufweist: „Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung und Präsentation dieses wichtigen Themas der Berner Stadt- und Regionsgeschichte schlummert ein wissenschaftliches, pädagogisches und nicht zuletzt auch touristisches Potenzial“ – doch dem Gemeinderat fehlt der Glaube: an die Finanzierbarkeit.
Diese Begründung für die Ablehnung des Postulats scheint uns dann doch etwas gar billig und für eine Stadt, die sich als Kern einer „Hauptstadtregion“ positionieren will, schon fast schäbig. Der Gemeinderat verschwendet in seiner Antwort keinen einzigen Satz an das Erwägen möglicher Partnerschaften in der Gemeinde und Region Bern. Dieser Umstand darf angesichts des Reichtums an wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen und Aktivitäten in und um Bern herum wohl mit Recht als enttäuschend bezeichnet werden. So hoffen wir denn darauf, dass die Mehrheit hier im Rat dem Gemeinderat doch noch auf die Sprünge hilft.
Unser Postulat zielt nicht auf Musealisierung – sei es einzelner Personen, historischer Ereignisse oder gesellschaftlicher Strömungen. Das Postulat regt vielmehr eine lebendige Auseinandersetzung an: mit einer historischen Epoche, welche die Geschichte Europas zutiefst geprägt hat, und mit gesellschaftlichen Fragen, Problemen und Entwicklungen, die uns heute mehr denn je prägen. Dieser reiche Schatz an historischen Erfahrungen darf nicht nur dem relativ exklusiven Kreis der Wissenschaften oder gar der politischen und publizistischen Polemik vorbehalten bleiben.
Noch in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gab es im Dorfladen von Zimmerwald eine Postkarte in Schwarzweiss zu kaufen: In der rechten oberen Ecke war da das Konterfei von Lenin abgebildet. Und das mitten im ganz Kalten Krieg. Noch war da die Erinnerung an die Zimmerwalder Antikriegs-Konferenz von 1915 nicht ganz verblasst. Alles Schnee von gestern? Ein Blick in das Zimmerwalder Manifest vom September 1915 und das Zusatzprotokoll beweist das Gegenteil: Noch immer muss es ein Ärgernis für alle darstellen, die ihren „Burgfrieden“ mit den Mächtigen geschlossen haben und den neuen Kriegstreibern ergeben zunicken: „Wirtschaftlich rückständige oder politisch schwache Nationen fallen dabei der Unterjochung durch die Grossmächte anheim, die in diesem Kriege versuchen, die Weltkarte ihrem Ausbeutungsinteresse entsprechend mit Blut und Eisen neu zu gestalten“. Dem bleibt nicht viel hinzuzufügen. Der Vollständigkeit halber vielleicht nur noch etwas: Das erste Dekret der neuen Arbeiter- und Bauernregierung, die durch die Oktoberrevolution 1917 geschaffen worden war, trug den Titel: .“Dekret über den Frieden“. Und es war von Lenin ausgearbeitet worden.
Historische Bildung lässt sich nicht mit Burgunderteppichen und Ahnengalerien abdecken. Identitätsstiftende historische Bildung entwickelt sich entlang von Themen, die aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart herüberragen: teils offensichtlich, teils verdeckt. Mit unserem Postulat setzen wir genau auf diese Themen. Berns Bevölkerung hat es verdient, dass eine Epoche und Tradition lebendig erhalten werden, die zu Recht auch mit Stolz erfüllen. Solcher Stolz kann sich einstellen, wenn beherztes Engagement Einzelner und fruchtbare politische Rahmenbedingungen zusammentreffen. Diese Konstellation hat die Geschichte der politischen Emigration immer wieder geprägt.
Wir sind überzeugt, dass diese Konstellationen nicht der Vergangenheit angehören. Wir hoffen auch, dass unser Postulat – trotz der unfruchtbaren Haltung des Gemeinderats – von einer solchen Konstellation getragen wird. Und wir hoffen schliesslich, dass bei der Umsetzung des Postulats ein weiteres Mal das Engagement von Einzelpersonen und die Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen sich ergänzen. Damit wäre uns allen gedient. Darauf könnten alle mit Recht stolz sein.
Ich schliesse mit einem Zitat des deutschen Philosophen Walter Benjamin, der 1919 in Bern promovierte und 1940 in den Pyrenäen auf der Flucht vor den deutschen Verfolgern starb: „Das wahre Bild der Vergangenheit huscht vorbei. (…) es ist ein unwiederbringliches Bild der Vergangenheit, das mit jeder Gegenwart zu verschwinden droht, die sich nicht als in ihm gemeint erkannte.“ (Über den Begriff der Geschichte)
Rolf Zbinden, Partei der Arbeit Bern, 26. Mai 2011 pdf
Abstimmung: Punkt 1: Ja: 6 / Nein: 54 / Enth.: 3
Punkt 2 – 6 : Ja:24 / Nein: 40 / Enth.: 0