Gemeinnützigen Wohnungsbau stärken

Motion Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden/Stéphanie Penher, GB): Gemeinnützigen Wohnungsbau stärken (1): Raumplanerische Instrumente nutzen – Bau- und Zonenordnung anpassen
Motion Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden/Christine Michel, GB): Gemeinnützigen Wohnungsbau stärken (2): Mehrwertabschöpfung für Wohnungsbau nutzen
Postulat Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden, GB): Gemeinnützigen Wohnungsbau stärken (3): Münchner Modell für „sozial gebundene Baugrundstücke“ prüfen

Intervention der PdA Bern an der Stadtratssitzung vom 4.11.2010

Allen drei Vorstössen zum Gemeinnützigen Wohnungsbau kommt ein grosses Verdienst zu: Sie rufen wieder einmal so richtig ins Bewusstsein, wo denn eigentlich die Stadt Bern steht, wenn es darum geht, über städtische Liegenschafen und genossenschaftlichen Wohnungsbau bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Der Vergleich mit anderen Städten lässt erblassen: Da müsste man eigentlich richtig rot werden – richtig rot werden! Allzu schön wäre folglich, wenn die vorliegenden Vorstösse als Katalysator einer sozialen, roten Wohnbaupolitik dienen könnten. Das wäre dann eine Politik, die einerseits sicherstellt, dass Menschen mit bescheidenem Einkommen nicht aus ihrem Wohnquartier verdrängt werden, und andererseits, dass Neuzuziehende Wohnungen mit bezahlbaren Mieten vorfinden.

Es ist kein Geheimnis, dass die gegenwärtige Entwicklung gerade in die entgegengesetzte Richtung läuft: und das sowohl beim Neubau wie auch bei der Sanierung von Wohnungen. „Wohnblock-Sanierung verschärft Mangel an billigem Wohnraum“, hat „Der Bund“ vom 28.7.2010 die Tendenz in Bern West auf den Punkt gebracht. Nüchtern zieht der Leiter der Koordinationsstelle Obdachlosigkeit der Stadt Bern, Herr Peter Kobi, im „Bund“ von heute Bilanz: „In Bern gibt es insgesamt zu wenig günstigen Wohnraum“ – ja: „die Problematik werde sich weiter verschärfen.“ Und dann gibt es ja auch noch die Sonderausgabe von „WohnstadtBern. Informationen zur aktuellen Wohnbaupolitik der Stadt Bern“ vom August 2010. Diesem bunten Blatt ist als „wichtigstes Ergebnis“ zu entnehmen: „Bewohnerinnen und Bewohner von Neubauwohnungen und Neubausiedlungen verdienten 2007 mehr und verfügten über ein grösseres Vermögen als die Berner Bevölkerung im Allgemeinen.“ Nun ist eine solche Tendenz weder erstaunlich noch gehorcht sie naturgesetzlichen Regeln. Sie gehorcht lediglich den Regeln des Marktes und führt in der Logik zu einer Vertreibung von Menschen mit niedrigen Einkommen. Immer wieder ist vor einer solchen Entwicklung, einer sogenannten „Gentrifizierung“, gewarnt worden. Für die Stadt Bern offensichtlich kein Problem. Im Gegenteil: „Bern macht‘s.“

Wenn wir die vorliegenden Motionen unterstützen, dann machen wir uns gleichzeitig keine grossen Illusionen über deren Wirksamkeit für grössere Bevölkerungsschichten. Nein: Wir stimmen zu aus der realistischen Einschätzung einer Misere heraus. Die permanente und gezielte Verdrängung von Minderverdienenden aus ihrem vertrauten Wohnumfeld wird sich allein mit den Mitteln parlamentarischer Vorstösse nicht bremsen oder gar blockieren lassen. Dazu braucht es die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Dazu braucht es ihren organisierten Widerstand, ihre Selbstorganisierung. Ohne diese breite Beteiligung der direkt Betroffenen droht noch der bestgemeinte parlamentarische Vorstoss zum Alibi zu verkommen – oder gar zum Schutzschild, hinter dem sich die Politik der Gentrifizierung weiter ausbreitet.

Den Motionärinnen ist die „soziale Durchmischung“ ein grosses Anliegen – sie wird in einem Atemzug und noch vor der Ökologie erwähnt. Seien wir bei diesem Begriff auf der Hut! Er deckt sich nicht einfach so mit den Interessen der Mieterinnen und Mieter aus unteren Einkommensklassen, die sich durch Verdrängungsprozesse bedroht sehen. Mit sozialer Durchmischung und ökologischen Standards schmücken sich doch auch Projekte, die im Endresultat der Verdrängung von Minderverdienenden gezielt Vorschub leisten, wie Stöckacker Süd zeigt. Die PdA Bern sieht nichts Schlechtes dabei, wenn sich Menschen mit bescheidenem Einkommen die Nachbarschaft teilen. Solche Wohnformen haben ja durchaus Tradition. Solche Wohnformen können auch die Basis bieten für einen breiten Widerstand gegen die soziale Verdrängung. Ohne solchen Widerstand werden die Städte in Zukunft noch stärker zum Selbstbedienungsladen für Gutverdienende. Das mag die Steuerkassen freuen. Mit einer sozialen Stadt hat das dann definitiv nichts mehr zu tun.

Die PdA Bern unterstützt die beiden Motionen. Sie sind wohnungspolitische Instrumente, die allerdings nur dann einen Beitrag leisten zum sozialen Wohnen, wenn sie ständig kontrolliert werden– nicht durch die Verwaltung, sondern von unten: durch die Betroffen selbst. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Und mit Grundbedürfnissen sollte nicht gedealt werde. Die soziale Wohnstadt Bern steht erst ganz am Anfang!

Rolf Zbinden, PdA Bern, 4. November 2010