Stellungnahme der PdA Bern
Einige Leute haben offensichtlich grosse Freude an einem verfänglichen Spiel. Und mit dem Essen kommt ihnen immer grösserer Appetit. Das Spiel ist einfach – und zugleich wirkungsvoll: Sie wecken zuerst Angst; dann erwecken sie den Eindruck, es fehle an den Mitteln, diese Angst effizient zu bekämpfen; und daraus leiten sie die Notwendigkeit von besonderen Massnahmen ab.
Ein Streich liegt hinter uns: Und es traf die Armutsbetroffnen. Der neuste Streich steht vor uns: der Entfernungsartikel. Geht es im einen Fall um die sozialen, so geht es im anderen um die politischen Rechte – die eingeschränkt werden sollen. Und die Strategie lässt sich in beiden Fällen sehr gut verfolgen und vergleichen. Das Rezept ist simpel, durchsichtig: Man wähle (erstens) Einzelfälle, isoliere sie dann (zweitens) aus ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang und baue sie (drittens) als grosse Bedrohung aller Rechtschaffenen und Rechtschaffenden auf. Und immer droht gleich ein kleines Abendland unterzugehen. Doch es genügt nicht, diese Angstbrühe vor sich hin garen zu lassen. Das will (viertens) noch pikant gewürzt sein: mit der Drohung, dass gegen solchen Missbrauch demokratischer Rechte kein Kraut gewachsen sei. Und da helfen dann (fünftens) nur noch ganz spezielle Massnahmen: spezielle Einschränkungen demokratischer Rechte.
Schon ein Blick auf den Titel der Initiative lohnt sich: „Gegen gewalttätige Demonstranten.“ Wer Gewalt anwendet gegen Sachen oder Personen, bewegt sich – wie ja auch die Initianten wissen könnten – nicht in einem rechtsfreien Raum. Solche Straftaten werden gesetzlich sehr differenziert erfasst und klassifiziert. Es gibt sogar den Tatbestand des so genannten Landfriedensbruchs, der in der aktuellen Gerichtspraxis häufig im Sinn eines Entfernungsartikels ausgelegt wird. Da gibt es keine Lücken und damit auch keinen Nachholbedarf. Aber um diese Gewalthandlungen geht es den Initianten – entgegen dem Titel der Initiative – eben gerade nicht! Ihnen geht es um diejenigen, die sich nicht sofort entfernen, will heissen: bevor es überhaupt zu gewaltsamen Handlungen kommen könnte. Man könnte es einen Etikettenschwindel nennen – und das wäre dann noch milde ausgedrückt.
Wenn bei jeder Demonstration – ob eine Bewilligung erteilt worden ist oder nicht – damit gerechnet werden muss, dass die Polizei nach eigener Einschätzung der Lage und ohne Vorliegen von Gewalttaten die sofortige Entfernung friedlich Demonstrierender unter Strafandrohung durchsetzen kann, dann wird jede Demonstration zu einem grossen Risiko für alle, die dieses demokratische Recht für sich in Anspruch nehmen. Wer will und kann da noch dieses Risiko einer Busse und zusätzlicher Sanktionen in der Schule oder am Arbeitsplatz auf sich nehmen? Wahrlich eine nachhaltige Initiative!
Demokratische Rechte werden nicht erst dann eingeschränkt oder aufgehoben, wenn der Ausnahmezustand ausgerufen und im Namen von Ruhe und Ordnung scharf geschossen wird. Politische Rechte wie das der Demonstrationsfreiheit können auch scheibchenweise bis zur Unkenntlichkeit demontiert werden. Deshalb müssen demokratische und soziale Rechte immer wieder neu erkämpft werden – gegen ihre schleichende Demontage. Und Demonstrationen sind ein Mittel, diese Rechte zu verteidigen. Aus genau diesem Grund warnt die PdA Bern vor der Einschränkung der Demonstrationsfreiheit, wie sie die Initiative bezweckt, und lehnt diese „gewaltsame Demonstration“ politischer Demagogie ab.
Rolf Zbinden, PdA Bern 18.3.2010