Dringliche Motion Fraktion FDP (Philippe Müller/Jacqueline Gafner Wasem, FDP): Gewalt in Bern: Rayonverbot für Schläger!
Intervention der PdA Bern in der Stadtratssitzung vom 26.11.09
Es gibt Vorstösse, die so schlicht daher kommen, dass man ihnen das Anmassende zuerst gar nicht ansieht. Wer von uns drängt sich denn schon darum, mit Schlägern Büro, Beiz, Gasse zu teilen. Und wer von uns kann und will dann einfach so verzichten: auf Büro, Bett, Gasse? Ein echtes Problem!
Und jetzt verspricht man uns die Lösung via Motion: Weg mit den Schlägern! Das hört sich plausibel an. Raus aus dem Rayon! Das hört sich einfach an. Bloss: Wer soll das richten? Und schon winkt Police Bern eine weitere aufwändige Aufgabe.
Die PdA Bern misstraut solch einfachen Lösungen und erlaubt sich, ein Paar grundsätzliche Fragen zu stellen.
Frage 1: Wer ist ein Schläger?
Antwort: „Personen, die z.B. bereits gewalttätig wurden oder zu Gewalt neigen.“ Oder als alternative Umschreibung: „Personen, die der Polizei als straffällige oder potentielle Gewalttäter bekannt sind“:
Ich gehe davon aus, dass die erwähnten straffälligen Gewalttäter für ihre Gewalttat eine Strafe verbüsst haben oder mit einer bedingt erlassenen Strafe bedroht sind. Das liegt fast schon in der Logik der Rechtsordnung. In diesem Fall stellt dann das Rayonverbot eine zusätzliche Strafe dar – eine Strafe, die in den gerichtlichen Urteilsspruch nicht inbegriffen war.
Bleiben wir doch besser auf dem Boden: Eine solche Strafverschärfung durch die Hintertür und im Nachhinein gehört definitiv nicht in die Kompetenz einer städtischen Legislative – und gehört erst recht nicht ins Arsenal einer Kantonspolizei.
Frage 2: Was sind „potentielle Gewalttäter“?
Antwort: Das definiert die Polizei: Weil ihr nämlich „potentielle Gewalttäter bekannt sind.“
Es gibt Eltern, die schlagen ihre Kinder. Sind Eltern „potentielle Gewalttäter.“ Ich habe Lehrer erlebt, die schlugen auch schon mal zu. Sind Lehrer „potentielle Gewalttäter“? Es gibt Männer, die schlagen Frauen. Sind Männer „potentielle Gewalttäter“?
Viele Kinder, viele Frauen werden täglich Opfer von Gewalttätigkeiten. Und es ist in vielen dieser Fälle nicht die Ausnahme, sondern die Regel, „dass Gewalttäter immer wieder auftauchen und (…) die Opfer ihnen wieder begegnen müssen.“
Wie lassen sich diese Gewalttaten verhindern? Da braucht es Voraussicht und Rücksicht, Vorbeugung und Fürsorge. Das ist eine schwierige Sache. Das ist eine notwendige Sache. Das ist eine grosse Herausforderung an alle, die in diesem Bereich engagiert sind. Mit dem Mandat an Police Bern tun wir niemandem einen Gefallen.
Frage 3: Was ist ein Rayon?
Antwort: Fragen Sie die Polizei!
Gilt der jeweilige Tatort als Rayon? Oder alle Orte, die mit dem Tatort wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Und welche Gemeinsamkeiten gelten als wesentlich? Fragen über Fragen. Und die ganze Sache wird noch unüberblickbarer, wenn wir die „potentiellen“ Tatorte ins Visier nehmen.
Hat es eine Logik, dann eine fatale: Darf der alkoholisierte Schrottfahrer keine Beiz mehr betreten? Der Ladendieb nur noch online einkaufen? Der Steuersünder keine öffentlichen Dienste mehr benutzen?
Wer von uns drängt sich denn schon darum, mit Schlägern Büro, Beiz, Gasse zu teilen. Und wer von uns kann und will dann einfach so verzichten: auf Büro, Gasse, Beiz? Ein echtes Problem! Mit den Methoden, die uns die Motion vorschlägt, kommen wir keinen Schritt voran.
Die PdA Bern ist interessiert an einer politischen Debatte über die Brutalisierung gesellschaftlicher Umgangsformen. Die von der Motion vorgespurte Richtung blendet Zusammenhänge aus, lenkt von grösseren Zusammenhängen ab. Repression ist ihr letztes Wort. Zeigen wir, dass das Vokabular der Politik anders ist: reicher.
Rolf Zbinden, PdA Bern, 26.11.09