Sozialhilfe in der Stadt Bern: Schlussbericht des Gemeinderats

Untersuchungsbericht BAK betreffend Sozialhilfe
Intervention der PdA Bern in der Stadtratsitzung vom 2. Juli 2009

Stellen wir uns vor: Als Abschluss einer langen und anstrengenden Sitzungsperiode liegen sich hier im Rat RotGrünMitte und BürgerlichePlus in den Armen. Bloss eine utopische Phantasterei? Nicht, wenn der Umbau der Sozialhilfe ernsthaft gewürdigt würde. Und nicht, wenn ein Rest von politischer Ehrlichkeit übrig geblieben wäre. Die einen gaben Gas, andere lenkten die Energie taktisch geschickt in institutionelle Bahnen. Und dann gibt es halt auch immer wieder die, die anders möchten und würden, wenn sie denn könnten, aber die Verhältnisse, die sind nicht so – will heissen: ihr Verhältnis zur Macht.

Uns bot und bietet sich seit einem BMW unseligen Angedenkens wahrlich das Schauspiel ewig erneuerbarer Energie – kombiniert mit ewig erneuerbaren politischen Kapitulationen. Das ging für alle Fraktionen gut: eine echte win-win-Situation. Auf der Strecke blieben bloss ein paar Bauernopfer: Sozialarbeitende, die ihren Beruf aus anderen Motiven gewählt haben, anders definieren und eine andere Wertschätzung erwarten, als was ihnen mit 131 und einer Massnahme verschrieben wird. Auf der Strecke bleiben Armutsbetroffene, die ihre Armut nicht einfach so gewählt haben, sie ganz genau zu definieren wissen und einen anderen Respekt erwarten, als was sich im Geist der132 Massnahmen niederschlägt.

Wie die Übersicht über die „Massnahmen Sozialhilfe“ belegt, ist das Geschäft gut im Schuss – und es wäre ja höchst erstaunlich, wenn mit der Umsetzung der Hälfte der „Massnahmen und Empfehlungen“ schon der ganze Schwung raus wäre. Bei der mittlerweile salonfähigen Sucht nach Kontrolle, Überwachung, Denunziation und Anprangerung dürfte auch die Richtung klar vorgegeben sein.

Wir sind gewarnt: Was gestern noch reine Satire war, kommt heute schon als ernst gemeinter parlamentarischer Vorstoss daher. So beispielsweise die Bildung einer „Sozial- und Sicherheitsdirektion“: Vor einem Monat fiel dieser Begriff in der Auseinandersetzung mit einem Wendehals Namens PINTO in satirischer Absicht. Ich bekenne: Das war ein schlechter Witz. Ich hatte die Rechnung ohne die Realsatiriker in diesem Rat gemacht. Und das finde ich übrigens gar nicht lustig.

Auch bei der Lektüre der „Massnahmen und Empfehlungen“ darf man sich nicht von der offensichtlichen Komik gewisser Passagen ablenken lassen. Wenn ich lese: „Die Weiterbildung in allen Bereichen ist eine Daueraufgabe“, dann kann ich – ganz allgemein und erst recht angesichts der drohenden Folgen der kapitalen Krise – nur nicken. Und dann lese ich: „Verschiedene Schulungen mit den Schwerpunkten Kontrolle, Missbrauch und Sanktionen haben bereits stattgefunden.“ Sollen wir da laut herauslachen über diese Form von Bildungsoffensive? Oder laut brüllen? Oder was?

Dass mit der politischen und sozialen Haltung, die hinter diesen „Massnahmen und Empfehlungen“ steht, nicht zu spassen ist, wird endgültig klar, wenn die Beiträge des Finanzinspektorats ernst genommen werden: Was da an Vorschlägen aufgetischt wird, die geltendem Recht widersprechen: Das geht dann wirklich auf keine Kuhhaut! Da kam beim Essen so richtig schön der Appetit.

Die PdA Bern empfindet die ganze Kampagne gegen Armutsbetroffene von A bis Z unappetitlich: von den Enthüllungen einer spätberufenen Kronzeugin über den Dauerwahlkampf der FDP bis zur ehrenvollen Kapitulation von RotGrünMitte. Wer hinsichtlich der Kampagne gegen Armutsbetroffene zu differenzieren beginnt, wird seine Gründe haben. Diese Form von Kollaboration ist nicht unser Ding. Die PdA Bern bietet keine Hand zu Verdächtigung, Bespitzelung, Diffamierung und Stigmatisierung von Armutsbetroffenen. Die PdA Bern nimmt die Zukunft solchen Ansinnens voraus: der Misthaufen der Geschichte – die beste Form von Nachhaltigkeit.

Rolf Zbinden, PdA Bern, 2.7.09