Mit dem Urteil der ersten Instanz sind klare Zeichen gesetzt worden: Vor Gericht kommt nicht, wer in der unmissverständlichen Rhetorik des historischen Faschismus für den Marsch auf Bern mobilisiert und Minderheiten zum Teufel, in die Hölle wünscht. Vor Gericht kommt und verurteilt wird, wer sich dieser Bewegung der aggressiv Selbstgefälligen, der militanten Rassisten und rechtsextremen Glatzen in den Weg stellt – gewaltfrei in den Weg stellt.
Die Mission ist erfüllt. Wenn Polizei, Justiz, Presse, Arbeitgeber, Regierungsrat am gleichen Strick ziehen, kann es gar nicht schief gehen. Und das Exempel ist sehr einfach zu lesen: Politischer Widerstand gegen völkische Friedensbrecher und Hassprediger wird teuer bezahlt – bezahlt mit Diffamierung, Vorverurteilung und Angriff auf die berufliche Existenz. Dieses Exempel zielt nicht auf eine einzelne Person – geben wir uns da keinen Illusionen hin! Was da in den vergangenen Monaten durchgespielt wird, scheint so reibungslos zu klappen, dass die Sieger auf eine Wiederholung solcher Erfolge Appetit bekommen haben werden.
Das Exempel will beweisen: Politischer Widerstand gegen Rassismus, Ausgrenzung, Rechtsextremismus lohnt sich nicht – politischer Widerstand gegen die Arroganz der Macht ist selbstzerstörerisch. Dann war also alles sinnlos? Sinnlos der Aufschrei, der breite Protest vom 6. Oktober? Und sinnlos sein Nachspiel? Sinnlos das Opfer? Sinnlos die Kosten?
Am 6. Oktober 2007 kam der rechtsextreme Bewegungsflügel bei seinem Marsch auf Bern ins Stolpern: Die Bundesstadt war nicht im Sturm zu nehmen, nicht reif für den Aufmarsch der Zottel, Trottel und Springerstiefel. Weitere politische Überrisse – und weitere Niederlagen folgten. Daran gibt es nichts zu rütteln – und darum gibt es auch nichts zu bedauern. Wenn Zivilcourage über Indifferenz, Resignation, Rückzug ins Private und in die Innerlichkeit siegt, ist vieles möglich: Solidarität, Widerstand, Befreiung von der Angst. Der 6. Oktober 2007 war ein Anfang.
Ich habe Verständnis für Polizisten, die vorne und hinten und davor und danach nicht zu unterscheiden wissen; für eine Richterin, die ihren gesunden Menschenverstand in der Urteilsbegründung nur schlecht zu unterdrücken weiss. Ich habe Verständnis für die Journalisten, die zynisches Schlittenfahren am eigenen Leib erfahren haben. Und ich habe fast schon Erbarmen mit einem Arbeitgeber, der mehr aufgibt als einen Arbeitsvertrag. Sie alle lassen sich aus über Gewalt – und geben mit ihrem Beispiel zu verstehen, wo die Gewalt sitzt und wie die Gewalt funktioniert, die das Rückgrat bricht.
Vor einem Gericht zu erscheinen, ist immer unangenehm. An den Pranger gestellt zu werden, ist nicht das wirkliche Wunschprogramm. Eine geliebte Arbeit nach 25 Jahren durch Rausschmiss und Berufsverbot zu verlieren – das gibt zu kauen. Es trifft mich, trifft mich tief. Aber: Ich kann noch in den Spiegel schauen. Und ich kann noch weitermachen. Ich will, ich muss weitermachen: in diesem Sinn.
Rolf Zbinden, 19.5.09