Jetzt aber Schluss mit der Bettelei!

Motion Beat Schori (SVP) / Philippe Müller (FDP): Jetzt aber Schluss mit der Bettelei!
Motion Fraktion FDP (Bernhard Eicher, JF): Bevölkerung soll über stadtweites Bettelverbot entscheiden

Entgegnung der PdA Bern in der Stadtratssitzung vom 26. März 2009

Dieser Rat kennt einige Themen, die mit schöner Regelmässigkeit gepflegt werden und zudem auch immer wieder viel zu reden geben: Sozialhilfe, Reitschule, Bettelei. Und manche Bürgerin, mancher Bürger werden sich ab und zu die Frage stellen, ob wir hier denn nichts Besseres und Wichtigeres zu tun hätten – und ganz sicher sind das nicht nur die politikkritischen Wähler von Herrn Hofer.

Die PdA Bern ist da allerdings der Meinung, dass es sich bei diesen Fragen nicht um Nebensächlichkeiten handelt, die auf Nebenschauplätze abgeschoben gehören. Genau in diesen Themenbereichen zeigt sich im Gegenteil mit aller Deutlichkeit, wie es die verschiedenen politischen Parteien eigentlich halten: mit der sozialen Solidarität, der kulturellen Toleranz, der Achtung der an den gesellschaftlichen Rand Gedrängten – auch wenn diese Haltung häufig erst unter viel Rhetorik hervorgeholt werden muss.

Wie in allen bisherigen Vorstössen zu einem Bettelverbot werden auch in den beiden vorliegenden Motionen die „organisierten Bettelbanden“ und ihre Ausbeutung von „Kinderarbeit“ angeprangert. Die PdA Bern ist entschieden der Ansicht, dass kein Kind, keine behinderte Person, keine Familie es verdient hat, auf diese Weise das Leben fristen zu müssen. Auch noch auf der Flucht vor materiellem Elend und rassistischer Verfolgung können sich die Schwächsten der Schwachen dem Teufelskreis der Ausbeutung nicht entziehen. Wem es mit der moralischen Kritik grenzenloser Ausbeutung ernst ist, wird aber nicht darum herum kommen, den Skandal zur Sprache zu bringen, der zu Flucht und Vertreibung führt: die skrupellose Plünderung der natürlichen, ökonomischen und menschlichen Ressourcen der jeweiligen Herkunftsländer. Und die Abschiebung der bettelnden Armutsbevölkerung aus den Oasen des Wohlstands fügt diesem ersten nur noch einen zweiten Skandal hinzu.

Davon wollen die Motionäre nichts wissen. Sie lieben einfache Lösungen. Und wenn die „bandenmässig betriebene Bettelei“, gegen die sie uns moralisch aufrüsten, sich gar nicht so einfach nachweisen liesse? Wenn diese Aufgabe die Kapazität der überstundengeplagten Ordnungshüter bei weitem übersteigen würde? Diesem Beweisnotstand kommen die Motionäre aber zuvor, indem sie ganz einfach einem generellen Bettelverbot das Wort reden. So funktionieren halt eben einfache Lösungen.

Damit aber nicht genug. Und mit dem moralischen Schwung aus der Banden-Geschichte geht es hinein in die Putzteufelei zur Rettung des Weltkulturerbes und gegen „Bettelnde (…), teilweise mit dem Vorwand, Musik zu spielen, allerdings mit Musikinstrumenten, die sie nicht beherrschen.“ Wo kämen wir denn da hin? Um dieses Erbe wäre es wahrlich verdammt schlecht bestellt, wenn es durch solche „Randerscheinungen“ „Charme, Schönheit und Ansehen“ verlieren sollte. Was macht denn wohl den Unterschied aus zwischen einer lebendigen Stadt und einem Vergnügungs-, Kommerz- und Verblödungs-Park?
Wir machen uns keine Illusionen: In diesem Rat gibt es – und zwar in fast allen Fraktionen – sensible Gemüter, die sich den elenden Seiten dieser Gesellschaft lieber nicht zu direkt aussetzen. So was könnte ja das Gleichgewicht gefährden! Und sie bringen es einfach nicht übers Herz, „nein“ zu sagen, wenn sie um eine kleine Spende gebeten werden – also möchten sie diese leidige Angelegenheit lieber gleich durch die Hüter der Ordnung erledigt sehen. Steuergelder für diesen sentimentalen Luxus? Die sparen wir uns!

Dass die Bettel-Vorstösse just aus den Reihen derjenigen kommen, die keine Gelegenheit auslassen, das Hohe Lied des befreiten Marktes zu singen, entbehrt jetzt aber wirklich nicht einer gewissen Ironie. Da geht ihre deregulierte Saat so prächtig auf – wenn sich dann aber immer mehr Verarmte in die laut gepriesene Ich-AG verwandeln, dann wird nach Verboten geschrieen. Wer soll da noch die Welt verstehen!

Die PdA Bern fragt sich auch, wie es um Charme und Ansehen bestellt ist. Welche Charmeure rochen denn eigentlich in den Herkunftsländern der bettelnden Armen das grosse und schnelle Geld im Kredit-Geschäft? Und wie steht es denn eigentlich noch mit dem Ansehen jener Institute, die sich vom Staat Milliarden in den Rachen stopfen lassen? Ist doch charmant, wie wir da angegangen werden: „Hesch mer es paar Milliarde!“ Und jetzt wittern Sie eine Pointe? Aber nein! Diese organisierten Finanzbanden betteln nicht – sie erpressen.

Die PdA Bern hat nichts übrig für simple Symptom-Politik auf dem Buckel genau jener Menschen, die sowieso keine Möglichkeit haben sich zu wehren. Wer gerade heutigen Tags den Magen hat, gegen Bettlerinnen und Bettler mobil zu machen, betreibt ein billiges Spiel der Ausgrenzung – und macht sich über die wahren Sorgen und Ängste der meisten Menschen in dieser Stadt letztendlich lustig.

Rolf Zbinden, PdA Bern, 26.3.09